Keine Parteien, nur noch Asylbeschleuniger
In der Länderkammer hat eine schwarz-rot-grüne Mehrheit das Gesetzespaket der Bundesregierung zur Flüchtlingspolitik durchgewinkt
Bei der Bundesratssitzung zum Asylpaket demonstrierte die Mehrzahl der Ministerpräsidenten am Freitag den Schulterschluss mit der Bundesregierung, während Bayerns Landeschef Horst Seehofer (CSU) die Diskussion mit demonstrativem Schweigen verfolgte. Angesichts der rechten Ausschreitungen gegen Flüchtlinge sei es von großer Bedeutung, dass die demokratischen Parteien auf allen staatlichen Ebenen gemeinsam auftreten, betonten zahlreiche seiner Kollegen.
»Wir dürfen die Menschen nicht in ihr Verderben zurückschicken. Wir müssen sie aufnehmen«, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Dass dies ein Widerspruch zu seiner Zustimmung zur Erweiterung der Liste der »sicheren Herkunftsstaaten« auf dem Balkan darstellt, wollte Albig nicht leugnen. Auch in den nun als »sicher« eingestuften Staaten seien Minderheiten wie die Roma weiter »physischen Verfolgungen« ausgesetzt.
Hessens stellvertretender Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) lobte den Kompromisscharakter des Gesetzespaketes. Die Länder erhalten das erste Mal eine strukturelle Finanzhilfe für ihre Ausgaben in der Flüchtlingspolitik, außerdem könnten nun Menschen vom Westbalkan legal einreisen, ohne einen Asylantrag zu stellen. Als Voraussetzung hierfür müssen sie allerdings einen Arbeitsvertrag vorweisen.
Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) begründete die Position seiner Regierung, die sich ebenso wie Brandenburg und einige weitere Länder der Stimme enthielt. Es gebe akzeptable Punkte wie die Öffnung der Integrationskurse und die Öffnung der Krankenversicherung für Flüchtlinge. Kritisch sah Ramelow hingegen, dass Flüchtlinge weiterhin mit Arbeitsverboten in die Illegalität getrieben werden. Ernüchternde Angaben machte er zur Wirksamkeit der neuen Finanzhilfen für die Länder. So werde Thüringen 2016 etwa 469 Millionen Euro für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge ausgeben, der Anteil des Bundes betrage daran jedoch nur circa 21 Prozent. Diese Lastenteilung sei ungerecht und werde den realen Anforderungen nicht standhalten.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kritisierte die schleppende Bearbeitungspraxis durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In ihrem Land stünden für 20 000 Flüchtlinge nur 20 Bearbeiter bereit. Sie hoffe, dass die Bundesregierung diese Zustände schnell abstelle. Marcel Huber, der Chef der bayerischen Staatskanzlei, sagte, dass sich die Staatsregierung zur Integration bekenne und in den nächsten Jahren 60 000 Ausbildungsplätze für Flüchtlinge schaffen werde. Da die meisten Asylbewerber über Bayern einreisten, sei es verständlich, wenn jetzt einige Landräte sagten, »wir können nicht mehr«. Huber erneuerte die bayerische Forderung, Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen. Die SPD-Ministerpräsidenten erteilten bayerischen Forderungen nach Transitzonen eine Absage. Bei allem Verständnis für die Lage Bayerns, so Mecklenburgs Landeschef Erwin Sellering (SPD), »schadet das mehr, als es nutzt«.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fand zum Schluss lobende Worte für die Grünen. Denn die Große Koalition konnte sich bei der Abstimmung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz im Bundesrat auf die notwendigen Stimmen der Ökopartei verlassen.
Seiten 2, 6 und 13
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