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Scharfe Waffen gegen Krebs

Biolumne

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer bei einem Polizeieinsatz schon mal Pfefferspray abbekommen hat, dürfte das in bleibend unangenehmer Erinnerung behalten. Wobei der Name Pfefferspray eigentlich in die Irre führt. Was da versprüht wird, stammt nämlich nicht aus Pfefferkörnern, sondern aus den richtig scharfen Chili-Paprikaschoten. Der Pharmakologe Wilbur L. Scoville (1865-1942) beschrieb 1912 in Detroit erstmals, wie man deren Schärfe bestimmen kann. Freiwillige wurden gebeten, eine immer weiter verdünnte Lösung der zu untersuchenden Probe zu verkosten und zu sagen, ob sie noch Schärfe feststellen konnten oder nicht. Der Grad der Verdünnung, bei dem keine Schärfe mehr festzustellen war, wird seitdem als Scoville-Grad angegeben, SCU für Scoville Unit. Gemüse-Paprika ohne feststellbare Schärfe hat den Scoville-Grad 0.

Wie meine ungarischen Verwandten versichern, ist Paprika sehr gesund. Das aromatische Gemüse enthält 0,1 bis 0,4 Gewichtsprozente Vitamin C. Und so gelang dem ungarischen Chemiker Albert Szent-Györgyi erstmals, Vitamin C in genügender Menge zu isolieren (1937 Nobelpreis für Medizin) - natürlich aus Paprika. Die ursprünglichen Chili-Schoten sind so ziemlich das »Heißeste«, was man finden kann. Dafür sorgt der Wirkstoff Capsaicin. Reines Capsaicin entspricht 15 Millionen Scoville-Grad. Das bedeutet, dass man einen Milliliter reinen Capsaicins mit 15 Millionen ml (= 15 000 Liter) Wasser verdünnen müsste, um keine Schärfe mehr festzustellen, die Füllung eines großen Wasser-Tanklasters von 15 Kubikmetern!

Interessant für Feinschmecker: Capsaicin wird durch Hitze oder Gefrieren nicht zersetzt. Es ist nicht wasserlöslich, aber gut in Fett und Alkohol. Aha! Tipp: Nach einem scharfen Gericht sollte man also eben nicht Wasser, sondern Milch oder Alkohol trinken.

Bei uns im Fernen Osten gibt es schon seit Jahren Cremes und Pflaster mit Capsaicin bei Schmerzen. Die Schärfe hemmt auch Bakterienwachstum und Schimmelbildung. Gut nicht nur in den Tropen!

Indische Forscher zeigten schon vor zehn Jahren, dass Capsaicin in hoher Konzentration Prostata-Krebszellen bekämpfen kann. Das war in Mäusen. Gesunde Zellen blieben unversehrt. Die Mengen waren für eine tägliche Verabreichung aber einfach zu groß. Ashok Kumar Mishra und Jitendriya Swain vom Indian Institute of Technology in Madras suchten deshalb nach dem Mechanismus, wie sich Capsaicin an Zelloberflächen von Krebs- und Normalzellen bindet. Capsaicin selbst fluoresziert. Es lässt sich deshalb gut sichtbar machen, wie es sich an Membran-Rezeptoren bindet und Kationen-Transport-Kanäle der Krebszellen aktiviert. Dieser »Pfefferspray«-Einsatz könnte Leben retten.

Ein guter Anfang ist zumindest gemacht - auf dem Weg zu »scharfen« Pillen und Injektionen gegen Krebs. Der Wirkstoff Capsaicin wird dann zum Ärger der Pharma-Konzerne preiswert aus Chili extrahiert. Von der Natur lernen, heißt siegen lernen.

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