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Glückwunsch, es ist ein Cyborg!

Anhängerinnen eines technologisch orientierten Feminismus wollen die Menschheit von der Natur befreien. Von Regina Stötzel

Testosteron statt Ecstasy oder Viagra: Es ist ein bemerkenswerter Selbstversuch, den Paul B. Preciado, geboren als Beatriz Preciado, unternimmt. »Ich will mich nicht in einen Mann verwandeln und auch nicht meinen Körper transsexualisieren; ich nehme Testosteron, weil ich Verrat an dem üben will, was die Gesellschaft aus mir zu machen versucht«, schreibt Preciado, bekannt durch sein »Kontrasexuelles Manifest«. Er spricht von einer »molekularen Prothese«, einem Ersatzteil, das über die Haut oder injiziert in die Gefäße eindringt und den Körper verändert.

Es ist die Abkehr vom vermeintlich Natürlichen, das den Autor mit anderen des kleinen Sammelbands »dea ex machina« verbindet. Denn damit verbunden ist in den Köpfen zumeist die binäre Geschlechterordnung mit den zugewiesenen Sphären, Rollen und Hierarchien. »Im Namen von Feminismus soll ›Natur‹ nicht länger eine Zuflucht für Ungerechtigkeit sein … Wenn die Natur ungerecht ist, müssen wir eben die Natur verändern«, schreibt das Autorinnenkollektiv Laboria Cuboniks.

Längst kann die menschliche Fortpflanzung unterbunden; können Kinder im Reagenzglas gezeugt und Geschlechtsmerkmale verändert werden. Weit darüber hinaus sind Forscher dabei, Prothesen zu entwickeln, die durch Gedanken steuerbar sind. Alexandra Pirici und Raluca Voinea plädieren in ihrem »Manifest für das Gynozän« dafür, die »Möglichkeit von technologischen Veränderungen des menschlichen Körpers in Richtung hybrider Formen wie der Cyborg« zu fördern. Gleichzeitig wollen sie das »weibliche Prinzip« stärken und meinen damit konstruktive Problemlösungen und einen Zustand, »wo Schwäche als wertvoller Zustand an sich verstanden und respektiert wird«.

Die Herausgeber Armen Avanessian und Helen Hester schlagen in ihrer Textauswahl einen Bogen bis in die frühen 70er Jahre, als Shulamith Firestone die feministische Bewegung aufforderte, die Bereitschaft in der Gesellschaft für technologische Veränderungen zu schaffen, um damit die Menschheit von einem »doppelten Fluch« zu befreien: »… daß der Mann im Schweiße seines Angesichts die Erde pflügen und die Frau unter Schmerzen gebären soll«. Während Firestone aus radikal feministischer Motivation schrieb, wollen Avanessian und Hester ebenso der rasanten technologischen Entwicklung Rechnung tragen mit ihrem »feministischen Akzelerationismus« (von accelerare = beschleunigen).

Zwar ist grundsätzlich nichts einzuwenden gegen einen Feminismus, »der sich mit Computern wohlfühlt« (Laboria Cuboniks), und sicherlich sollten die Entwickler neuer Technologien ihre eigentliche Aufgabe darin sehen, die Welt besser und schöner zu machen. Doch wird man beim Lesen das Gefühl nicht los, dass die Beschleunigungstheoretikerinnen vergessen, dass es Menschen und politische Kräfteverhältnisse sind, die gerade über solche Entwicklungen entscheiden. Die technologischen Mittel sind vorhanden, um Nahrung, Ressourcen, Reichtum und Arbeit halbwegs gerecht zu verteilen. Dennoch sind u.a. Linke ständig damit beschäftigt, die Menschheit davon abzuhalten, sich selbst auszulöschen.

Gegen herkömmliche Linke, vor allem radikale, haben die Autorinnen denn auch etwas einzuwenden. So wollen etwa Pirici und Voinea eine »andere Art der Revolution, die uns über den traditionellen Klassengegensatz hinaus bringt«, und betrachten »die Analyse des Kapitalismus und seiner katastrophalen Folgen als vollständig«. Wie sie aber die Machtverhältnisse verändern wollen, so dass nicht profitorientierte Konzerne und wenig friedfertige Staaten die Entwicklung neuer Technologien in der Hand haben, bleibt ihr Geheimnis.

»dea ex machina«. Armen Avanessian, Helen Hester (Hg.). Merve Verlag. 160 S., pb., 15 Euro.

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