Resignieren statt regieren

Wolfgang Hübner über den Machtkampf beim Thema Asyl

Was macht eigentlich Angela Merkel? Regiert sie noch oder resigniert sie schon und wird zwar noch ins Kanzleramt eingelassen, dort aber gleich ins Bastelkabinett geführt und mit irgend einer Beschäftigungstherapie abgelenkt? Die berühmte Richtlinienkompetenz scheint ihr jedenfalls entglitten zu sein. Ihr flüchtlingspolitisches Diktum »Wir schaffen das!« ist kaum mehr als eine hohle Phrase, unter deren Oberfläche sich die Asylverschärfer austoben. Merkel führt Rückzugsgefechte und hat Mühe, das freundliche Gesicht zu wahren.

Ton und Richtung gibt längst ein anderer an: Innenminister Thomas de Maizière. Er macht inzwischen fast, was er will, und wenn nun die Kanzlerin mitteilen lässt, sie wisse nichts von seiner drei Wochen alten Anweisung, syrische Flüchtlinge möglichst wieder abzuschieben, dann lässt sie sich vom Innenminister zur Witzfigur degradieren.

Merkel ist anscheinend politisch zu schwach, um sich offen mit ihrem Innenminister anzulegen. De Maizière ist es offensichtlich egal, wer unter ihm Kanzler oder Kanzlerin ist. Einen Teil der Unionselite sowie einen wohl erheblichen Teil der Parteibasis und der Wählerschaft im Rücken (sein Wahlkreisbüro befindet sich übrigens im sächsischen Meißen), macht er restriktive Asylpolitik, wie es ihm beliebt. Die Frage ist womöglich nur noch, wie lange die Hardliner Merkel noch dulden und wann sie den offenen Aufstand für angebracht halten.

Und Horst Seehofer schaut aus München zu und freut sich.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.