Was bislang nur online läuft

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Tod ist ein unvermeidbarer Begleiter des Lebens. Trotzdem überrascht er immer wieder aufs Neue, selbst wenn sich der Tod so lang ankündigt wie im Falle Helmut Schmidts. Mit 96 ist der Altkanzler Dienstag gestorben und hat doch das halbe Land und eine ganze Stadt in Schockstarre versetzt. Nur die Medien, die schockstarrten nicht, sie feuerten aus allen Rohren: Nekrologie, auf Halde produziert, in Echtzeit abrufbar, nicht pietätvoll, aber praktisch im verzugsfreien Internetzeitalter.

Zig Seiten lang waren die Nachrufe selbst außerhalb von Schmidts Heimathafen bisweilen, nicht alle distanzlos lobhudelnd wie die »Hamburger Morgenpost«, aber meist von kritikloser Hochachtung durchdrungen, die sogar den »Brennpunkt« ergriff, dessen Umfang kurzerhand verdreifacht wurde, als käme das Ableben eines Kettenrauchers nahe der 100 unerwartet. Aber das sind Windmühlenkämpfe im Informationszeitalter, denn der Medienrepublik ist ein polarisierender, doch brillanter Gesellschaftsanalyst abhanden gekommen, der seinem Metier - der Publizistik, der Politik - fehlen wird.

Fehlen werden wohl weiter auch gute Serien aus Deutschland, weshalb es umso bemerkenswerter ist, dass Vox mit »Club der roten Bänder« eine über ein Kinderhospiz gedreht hat, die außergewöhnlich gut und erfolgreich ist. Sollten auch diesen Montag wieder 2,5 Millionen Zuschauer einschalten, wäre vielleicht auch die Konkurrenz überzeugt, dass sperriges Fernsehen funktionieren kann. Also das, was bislang allenfalls online läuft. Das Hacker-Epos »Mr. Robot« etwa, dessen Nerds so glaubhaft sind, dass ihnen sogar Edward Snowden Respekt zollt. Oder die Geschichtsdystopie »The Man in the High Castle«, in der die Nazis doch gesiegt haben und Mitte der Sechziger Amerika regieren.

Beides läuft ab Donnerstag bei Amazon Prime, das mit derlei Formaten (und einer gigantischen Vertriebskampagne) den Streaming-Markt überrannt hat. Ebenso ungewöhnlich und auch noch umsonst ist die Arte-Serie »Occupied«, in der Norwegen am gleichen Tag um 20.15 Uhr von Russland besetzt wird, weil es seine Ölproduktion herunterfährt. Witzig, wie undenkbar dieses Szenario noch vor ein, zwei Jahren geklungen hätte …

Ähnlich undenkbar übrigens wie Motorsport beim sonst so ansehnlichen ZDFinfo, das am Sonnabend ab 15.30 Uhr allen Ernstes das sprithungrige, testosteronsatte »Race of Champions« überträgt. Da ist es beruhigend, dass Mario Barth am Mittwoch, 20.15 Uhr, letztmals so tut, als decke er irgendwas auf. Weil er seinem Sender allenfalls seinen Kontostand aufdeckt, damit RTL ihn hebe und hebe, kann man umschalten zu Tobias Moretti, der in der ARD zeitgleich einen Louis Trenker von grandioser Ambivalenz zwischen Größenwahn und Kleinbürgertum verkörpert.

Blieben ein paar nette Nischentipps. Im RBB liefern zehn Nachwuchsregisseure am Dienstag (22.30 Uhr) »Zehn kurze Filme über ein Gefühl« namens Heimat. Und am Totensonntag gedenkt »Zimmer frei!« um 22.15 Uhr der verstorbenen Gäste dieses WDR-Kleinods von Dieter Krebs bis Hans Meiser.

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