Polizei Hannover sagt Länderspiel ab
De Maizière: Hinweise auf konkrete Anschlagsgefahr / Identität zweier Verdächtiger in Belgien geklärt / Fahndungen in Frankreich und anderen Staaten fortgesetzt
Update 22.30 Uhr: De Maizière spricht von konkreter Anschlagsgefahr
Die Absage des Länderspiels Deutschland – Niederlande sei auf seine Empfehlung erfolgt, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Abend in Hannover auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Die Hinweise auf eine Gefährdung hätten sich im Laufe des frühen Abends so verdichtet, dass sich die Sicherheitsbehörden des Bundes nach Abwägung der Vor- und Nachteile entschieden hätten, das Spiel nicht stattfinden zu lassen.
Nach Informationen der »Bild«-Zeitung (Online) erhielten die Sicherheitsbehörden vor der Absage mehrere Hinweise auf Anschlagspläne. Zunächst habe es Anzeichen gegeben, dass eine Gruppe um einen namentlich bekannten Nordafrikaner einen Anschlag planen könne. Es sei konkret von Sprengmitteln, Sprengstoffgürteln, automatischen Waffen und Sprengsätzen an den Zufahrtswegen die Rede gewesen. Dann habe der französische Geheimdienst auf einen irakischen Schläfer hingewiesen, der einen Anschlag auf das Freundschaftsspiel geplant haben solle.
Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) betonte, eine Austragung des Spiels wäre »nicht zu verantworten gewesen«.
Update 19.35 Uhr: Polizei Hannover sagt Länderspiel ab
Das Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden in Hannover ist wegen einer »konkreten Gefährdungslage« abgesagt. Das bestätigte die Polizei Hannover. »Das Spiel ist abgesagt. Die Zuschauer werden gerade gebeten, das Stadion zügig, aber ohne Panik zu verlassen«, sagte eine Polizeisprecherin dem SID um 19.20 Uhr, knapp anderthalb Stunden vor dem geplanten Anpfiff. Nähere Begründungen zur Absage könnten zunächst nicht gemacht werden.
Nach Angaben von Spiegel Online wurde am Stadion ein sogenannter »Gefährder« gesichtet. Dies nahm der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) zum Anlass, das Spiel absagen zu lassen.
Die Evakuierung des Stadionbereiches verlief zunächst offenbar ohne Zwischenfälle. Die Polizei hatte die Zuschauer, die in langen Schlangen auf Einlass warteten, gebeten, »das Stadiongelände so schnell wie möglich« zu verlassen.
Eine Stunde zuvor hatte die Polizei wegen des Fundes eines verdächtigen Gegenstandes einen Bereich vor dem Stadion abgesperrt. Nach eingehender Kontrolle wurde zu diesem Zeitpunkt noch Entwarnung gegeben.
»Sicherheit geht immer vor. Es ist eine Befürchtung, die man immer hat. Ich vertraue der Polizei, dass sie hier die richtige Entscheidung getroffen hat. Wenn eine Gefährdungslage vorliegt, dann müssen solche Schritte eingeleitet werden«, sagte Hannovers Bürgermeister Stefan Schostok dem SID.
Vier Tage nach den Terrorangriffen in Paris während des Länderspiels der DFB-Elf im Stade de France gegen Frankreich am Freitag gilt für die Begegnung gegen den WM-Dritten aus den Niederlanden in Hannover die höchste Sicherheitsstufe. Unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere hochrangige Politiker hatten ihr Kommen angekündigt.
Update 18.15 Uhr: Verdächtige in Alsdorf werden freigelassen
Die sieben bei Aachen unter Terrorverdacht Festgenommenen werden freigelassen. »Wir können feststellen, dass wir keine Erkenntnis haben, dass die Personen mit dem Anschlag in Verbindung stehen«, sagte ein Polizeisprecher am Dienstagabend.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Dienstag in Berlin, unter den sieben Festgenommenen sei nicht der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Salah Abdeslam. Der 26-Jährige ist ein Bruder eines der Selbstmordattentäter von Paris.
Es habe Hinweise gegeben, dass es möglicherweise »ein dicker Fisch« hätte sein können, sagte de Maizière. Dies habe sich aber nicht bestätigt: »Leider ist es wohl nicht der, auf den wir alle gehofft hatten, dass er es sein könnte.« Die Polizei hatte am Dienstag in Alsdorf bei Aachen sieben Personen festgenommen.
Die Festnahmen hingen demnach wohl nicht unmittelbar mit den Anschlägen in Paris zusammen. »Nach dem bisherigen Stand der Dinge scheint es nicht so zu sein, dass es einen engsten Zusammenhang mit den Taten in Paris gibt.«
Der Minister betonte: »Die Gefährdungslage ist wirklich hoch.« Es bestehe nach wie vor Sorge, dass einer der Täter in Nachbarländer Frankreichs fliehe. Daher sei richtig, verstärkte Grenzkontrollen aufrechtzuerhalten. Es habe sich gezeigt, dass die Sicherheitsbehörden wachsam seien, um Folgeanschläge und Nachahmungstaten zu verhindern.
Update 17.20 Uhr: Mehr Einzelheiten zu insgesamt Festnahmen bei Aachen
Zu den Festnahmen bei Aachen sagte ein Polizeisprecher: »Wir haben Hinweise bekommen, dass sich einer der Gesuchten im Zusammenhang mit Paris möglicherweise in unserem Bereich aufhält.« Zunächst wurden zwei Frauen und ein Mann festgenommen, als sie das örtliche Jobcenter verließen. Wenig später gab es zwei weitere Festnahmen.
Das österreichische Innenministerium teilte mit, dass der Terrorverdächtige Salah Abdeslam am 9. September aus Deutschland kommend mit zwei Begleitern nach Oberösterreich eingereist ist. Der Franzose mit Wohnsitz Brüssel soll den VW Polo gemietet haben, mit dem die Attentäter zur Konzerthalle »Bataclan« fuhren, wo sie fast 90 Menschen töteten.
Update 15.10 Uhr: Zwei weitere Personen bei Aachen festgenommen
Die Polizei hat in Alsdorf bei Aachen zwei weitere Personen im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Paris festgenommen. Insgesamt sind damit fünf Personen festgenommen worden, wie die Polizei am Dienstag mitteilte.
Eine Augenzeugin berichtete, dass Spezialkräfte der Polizei mit Sturmmasken und Maschinenpistolen eine Straße im Alsdorfer Stadtteil Schaufenberg vorübergehend abgesperrt hätten. Angeblich befindet sich dort die Wohnung der drei Personen, die am Vormittag nach dem Verlassen des örtlichen Jobcenters festgenommen worden waren. Bei diesen drei Festgenommenen handelt es sich nach Polizei-Angaben um zwei Frauen und einen Mann mit ausländischen Pässen.
Update 15.00 Uhr: Paris-Attentäter könnten Identität eines Toten genutzt haben
Der nach den Terroranschlägen in Paris gefundene syrischer Pass könnte zu einem vor Monaten getöten Mann gehören, der für die Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad kämpfte. Das berichtete die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag unter Berufung auf Ermittlerkreise.
Ob der in der Nähe des Pariser Stade de France entdeckte Ausweis wirklich dem in Syrien Getöteten gehörte oder eine Fälschung auf Grundlage einer echten Identität war, blieb vorerst unklar.
Update 14.55 Uhr: UEFA will Fußballeuropameisterschaft in Frankreich
Die Sicherheitsvorkehrungen werden massiv verschärft, doch eine Kapitulation vor dem Terror schließen alle Verantwortlichen mit Blick auf die Euro 2016 in Frankreich aus. »Die EURO wird unter den höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Es steht außer Frage, dieses großartige Fest abzusagen«, sagte der französische Sportminister Patrick Kanner. Der Sport dürfe sich »auf keinen Fall« vom Terrorismus einbremsen lassen.
Am Montag hatte bereits die Europäische Fußball-Union (UEFA) Fragen nach einer Absage des EM-Turniers zurückgewiesen. Es gebe keinen Grund für die Annahme von Anschlägen beim Turnier der 24 besten Mannschaften des Kontinents, teilte die UEFA mit. Bei der Anschlagsserie in der französischen Hauptstadt sollen Terroristen offenbar vergeblich versucht haben, im Stade de France beim Länderspiel Frankreich gegen Deutschland eine Bombe in der Arena zu zünden. Kanner verwies darauf, dass eine Panik auch unter extremen Bedingungen vermieden worden sei und er keine Zweifel daran habe, »unsere Stadien zu sichern«.
Update 14.40 Uhr: In Paris ist der Eifelturm erneut geschlossen worden
Laut Medienberichten wurde in Paris der Eifelturm erneut gesperrt. Er war nach den Anschlägen erst Montagnachmittag wieder eröffnet worden. Trotz verstärkter Polizei- und Armeepräsenz müssten »organisatorische Anpassungen« getroffen werden, verlautbarte der Betreiber.
Update 13.40 Uhr: Drei Festnahmen bei Aachen nach Terroranschlägen von Paris
Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Paris hat die Polizei am Dienstag in Alsdorf bei Aachen drei Verdächtige festgenommen. »Wir haben Hinweise bekommen, dass sich einer der Gesuchten im Zusammenhang mit Paris möglicherweise in unserem Bereich aufhält«, teilte ein Polizeisprecher mit.
Ein Spezialeinsatzkommando habe drei Menschen festgenommen - zu den Umständen wurden keine Angaben gemacht. Die Identitäten seien noch nicht geklärt, die Vernehmungen liefen. Die Polizei sucht derzeit mit Haftbefehl den 26-Jährigen Salah Abdeslam, einen Bruder eines Selbstmordattentäters von Paris.
Update 12.55 Uhr: Identität zweier Verdächtiger in Belgien geklärt
Bei den Verdächtigen, gegen die am Montag nach den Pariser Anschlägen in Belgien Strafverfahren eingeleitet wurden, handelt es sich um zwei junge Männer, Mohammed A. und Hamza A., wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Brüssel am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP sagte. Der belgischen Nachrichtagentur Belga zufolge besitzen beide die belgische Staatsbürgerschaft und kommen aus dem Viertel Molenbeek.
Nach Angaben aus Justizkreisen hatten die beiden Verdächtigen nach eigenen Aussagen den weiter flüchtigen möglichen achten Attentäter, Salah Abdeslam, in Paris abgeholt und in Brüssel wieder abgesetzt, wie Belga weiter berichtete. Eine Polizeiaktion am Montag in Molenbeek, die auf Abdeslams Festnahme abzielte, blieb ohne Ergebnis.
Update 10.00 Uhr: Hollande will Verfassungsänderungen nach Pariser Anschlägen
Als Reaktion auf die schlimmsten Anschläge in Frankreich in der Nachkriegszeit hat Präsident Hollande eine weitere Verschärfung der Sicherheitsgesetze in seinem Land eingeleitet, das er »im Kriegszustand« sieht. Noch in dieser Woche will er den am Freitagabend verhängten Ausnahmezustand für drei Monate verlängern lassen. Außerdem will er die Verfassung ändern und die ohnehin in der EU beispiellosen Befugnisse des Präsidenten ausweiten. Die Verfassungsänderung sei notwendig, um leichter Sondermaßnahmen ergreifen zu können, sagte Hollande vor dem Kongress. Er kündigte die Schaffung von 8500 neuen Stellen bei den Sicherheitsbehörden und in der Justiz an und will die Möglichkeiten ausweiten, wegen Terrorvergehen Verurteilten die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Fahndung nach Verdächtigem fortgesetzt
An Tag vier nach der Anschlagsserie in Paris ist die Fahndung nach einem Schlüsselverdächtigen und möglichen achten Attentäter mit Hochdruck fortgesetzt worden. Nach Angaben des Pariser Innenministeriums gab es in der Nacht zum Dienstag 128 Razzien.
Gefahndet wird weiter nach einem möglichen achten Attentäter, der bei der Anschlagsserie nicht getötet wurde: Salah Abdeslam, ein Bruder von Brahim Abdeslam, der sich am Freitag auf dem Boulevard Voltaire in die Luft gesprengt hatte. Ihm war es offenbar gelungen, am frühen Samstagmorgen aus Frankreich auszureisen.
Wenige Stunden nach den Anschlägen war kurz vor der belgischen Grenze ein Wagen mit drei Insassen gestoppt worden, von denen einer einen Pass auf den Namen Salah Abdeslam vorzeigte. Weil der noch nicht auf der Fahndungsliste stand, durfte der Wagen weiterfahren, wie französische Ermittlerkreise bestätigten.
Die belgischen Sicherheitskräfte versuchten am Montag, Salah Abdeslam bei einem Großeinsatz im Brüsseler Problemvorort Molenbeek festzunehmen, doch blieb der Einsatz erfolglos. Die belgische Justiz eröffnete Ermittlungsverfahren gegen zwei Verdächtige, ihnen werden »ein Terroranschlag und die Teilnahme an den Aktivitäten einer Terrorgruppe« vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, ohne Namen zu nennen. Ob es sich bei den Verdächtigen um die Männer handelte, die mit Abdeslam im Fluchtauto saßen, ist unklar.
Gegen Abdeslam liegt ein internationaler Haftbefehl vor. Er stand Ermittlern zufolge in Verbindung mit dem belgischen Islamisten Abdelhamid Abaaoud. Der 27-Jährige aus Molenbeek gilt als Kopf der Gruppe, die im Januar im belgischen Verviers vor einem geplanten Anschlag zerschlagen wurde. Er soll inzwischen wieder für den IS in Syrien kämpfen. AFP/nd
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