Hungern und Bummeln in Haft

Gefangene der hessischen JVA Butzbach kämpfen für Mindestlohn und Rentenversicherung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Arbeitspflicht und unter zwei Euro Stundenlohn: Strafgefangene fühlen sich ausgebeutet. Auch die schon lange vorgesehene Einbeziehung von Haftarbeit ins Rentensystem lässt bis heute auf sich warten.

In der hessischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach hat am Dienstag ein von einer bundesweiten Solidaritätsbewegung begleiteter Hunger- und Bummelstreik von Strafgefangenen begonnen. Dies bestätigte ein Sprecher der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) gegenüber »nd«. Am frühen Abend fand vor der JVA eine Solidaritätsaktion statt.

In dem Konflikt geht es um die Forderung der in Haft mit regulären Produktionsarbeiten beschäftigten Gefangenen nach Koalitionsfreiheit, Mindestlohn und Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung. Letzteres ist eigentlich bereits seit der Strafvollzugsreform von 1977 vorgesehen. Nur wurde das »besondere Bundesgesetz«, das diese Bestimmung in Kraft setzen sollte, bis heute nicht erlassen.

In den vergangenen Wochen hatten weit über 100 Insassen in Butzbach eine entsprechende Petition unterzeichnet und darin erneut Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) zum Gespräch über die Zustände in der JVA aufgefordert. Da die Ministerin bislang jedoch diesem Begehren nicht nachgekommen ist und dies nach Stand der Dinge wohl auch nicht plant, stehen nun die Zeichen auf Eskalation.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine verbreitete Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung in den Gefängniswerkstätten sowie den Haftbedingungen insgesamt. Die Gefangenen beklagen Stundenlöhne unterhalb von zwei Euro, fehlende Sozialabgaben und die Verweigerung elementarer gewerkschaftlicher Rechte. Weil für Gefangene in Hessen wie in elf anderen Bundesländern die Arbeitspflicht gelte, sei ihre flexible Arbeitskraft auch aufgrund staatlicher Subventionen für die JVA wie externe Auftraggeber sehr profitabel. Die Zustände in Butzbach wirkten dem stets bekräftigten Grundsatz einer »Resozialisierung« von Strafgefangenen entgegen und sorgten für drohende Altersarmut nach der Strafe, so die Gefangenenorganisation. Statt eines Dialogs über konkrete Forderungen werde nun der örtliche GG/BO-Sektionssprecher Jürgen Rößner »mit 23 Stunden Einschluss täglich und Zellenrazzien schikaniert«, so ihr Vorwurf.

»Grundrechte gelten für alle und können nicht für Teile der Bevölkerung ausgesetzt werden«, sagt Jörg Nowak vom »Netzwerk für die Rechte inhaftierter ArbeiterInnen«, das in einer Erklärung die Forderungen der Butzbacher Gefangenen unterstützt. Schließlich liege es im Interesse aller abhängig Beschäftigten, »Mindeststandards zu halten und Sonderwirtschaftszonen in deutschen Gefängnissen abzuschaffen«, so Nowak.

Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören etliche Hochschulprofessoren und Wissenschaftler aus Kassel, Jena, München, Göttingen, Duisburg und anderen Städten sowie haupt- und ehrenamtliche Funktionäre aus DGB-Gewerkschaften. Es habe ihn »positiv überrascht, dass auch Wissenschaftler aus Brasilien, den USA; Indien, Portugal, Großbritannien und Österreich den Appell unterstützen und sich für die Zustände in einem deutschen Provinzknast interessieren«, so GG/BO-Sprecher Oliver Rast gegenüber »nd«.

»Dass Gefangene in den Hungerstreik treten, wirft kein gutes Licht auf die Justizministerin«, sagt die hessische Landtagsabgeordnete Marjana Schott (LINKE). Für einen modernen Strafvollzug seien Gewerkschaftsfreiheit, konsequente Resozialisierung und Sozialversicherung unabdingbar. Zwar lasse sich das Problem allein im Land nicht lösen. »Aber eine fortschrittliche Justizministerin müsste das Thema auf der Bundesebene vorbringen und so eine Lösung herbeiführen«, so Schott. Für Samstag ist eine weitere Solidaritätskundgebung in Butzbach geplant.

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