Banger Blick auf den Urnengang in Venezuela

Linke Aktivisten in Deutschland blicken mit Sorge auf die Parlamentswahlen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass auch in Deutschland linke Aktivisten mit Spannung, Anteilnahme, Hoffen und Bangen den Ausgang der anstehenden Parlamentswahlen am Sonntag in Venezuela verfolgen, wurde bei einer Veranstaltung der niedersächsischen Linksjugend ['solid] am Mittwoch in Braunschweig deutlich. Schließlich halten es Beobachter und auch Unterstützer der vom 2013 verstorbenen Staatspräsidenten Hugo Chávez angestoßenen Bolivarischen Revolution nicht mehr für ausgeschlossen, dass die sozialistische Regierungspartei PSUV am Sonntag in dem südamerikanischen Land ihre bisherige Parlamentsmehrheit verliert. Unter diesen Umständen könnten die Kräfte der politischen Rechten die Arbeit der Regierung von Präsident Nicolas Maduro in vielen Bereichen lähmen und die Polarisierung im Lande zwischen den Klassen und politischen Lagern weiter verschärfen.

»Wohin treibt die Bolivarische Revolution?«, lautete das Motto des Vortrags, mit dem der Venezolaner Jorge Saturno, Sprecher des sozialistischen Jugendverbands Juventud PSUV für Deutschland, den Zuhörern in Braunschweig faktenreich und visuell gut illustriert den Aufstieg der chavistischen Bewegung vom gescheiterten Aufstandsversuch linker Militärs 1992 über den Wahlsieg von Hugo Chávez 1998 bis zum heutigen Tage schilderte und zahlreiche Fragen beantwortete. Saturno unterstrich mit Schaubildern die gewaltigen Fortschritte in zentralen Bereichen wie Gesundheitswesen, Bildung, Armutsbekämpfung, Altersrenten oder mehr soziale Gleichheit. All dies habe Millionen bisher ausgegrenzter Menschen wachgerüttelt und ihnen Menschenwürde vermittelt. Allerdings habe die bürgerliche Opposition und Oligarchie sich nie mit dem revolutionären Prozess abgefunden und immer wieder alle Register gezogen, um die linke Regierung zu Fall zu bringen. Alle diese Versuche – vom Staatsstreich über Unternehmeraussperrung, Abwahlreferendum und Einsickern kolumbianischer Paramilitärs bis zur gezieltem Randale faschistischer Gruppen – hätten jedoch bislang ihr Ziel verfehlt, weil »die Massen sich direkt in das Geschehen eingemischt und den Vormarsch der Rechten verhindert« hätten, so der Referent.

Dass die Oligarchie jetzt auf einen Wahlsieg der Rechten setze, sei auch eine Folge der von ihr ausgehenden Sabotage und Kapitalflucht. Der »Wirtschaftskrieg von oben« belaste den Alltag vor allem der Ärmsten und führe zu einer Zermürbung. So nutze die Oberschicht ihre wirtschaftliche Macht, um Waren künstlich zu verknappen und damit die Inflationsrate in die Höhe zu treiben. Staatlich subventionierte Güter des täglichen Bedarfs und Brennstoffe würden in großem Umfang nach Kolumbien geschmuggelt und dort für ein Vielfaches weiterverkauft. »Um diesem Treiben den Boden zu entziehen, gehören Banken, Lebensmittelproduktion, Verkehr und andere zentrale Bereiche der Wirtschaft in staatliche Hand und unter demokratische Kontrolle. Die Korruption muss konsequent bekämpft werden. Die Revolution darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben«, so Jorge Saturnos Überzeugung. Diese von vielen Mitgliedern der PSUV geteilte Ansicht sei unabhängig vom konkreten Wahlausgang am Sonntag aktueller denn. Nun gehe es darum, die von Präsident Nicolas Maduro im April geforderte »Radikalisierung der Revolution« in praktische Politik umzusetzen.

Für Ole Hartkopf von SprecherInnenrat der niedersächsischen Linksjugend ['solid], der die lebhafte Diskussion in Braunschweig moderierte, ist »die Verteidigung der Errungenschaften in Venezuela und eine Gegenöffentlichkeit gerade auch angesichts der einseitigen Darstellung der Entwicklung in Venezuela durch bundesdeutsche Mainstreammedien nötiger denn je«. Der Landesverband der Linksjugend hatte sich bereits im vergangenen Frühjahr mit der Lage in Venezuela befasst und seine Unterstützung für die weltweite Solidaritätskampagne »Hands off Venezuela« bekundet.

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