Der Ralf fand die Beate gut
Auch die zweite überraschende Aussage im NSU-Prozess offenbart ein Unschuldslamm
Beate Zschäpe, die nach dem Tod ihrer Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2011 als Hauptangeklagte verbliebene Angehörige des NSU-Trios, hat Unruhe in die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München gebracht. Mit ihrer überraschenden Aussage in der vergangenen Woche bewegte sie nun offenbar auch Ralf Wohlleben zur Aussage, der bisher wie sie beharrlich geschwiegen hatte. Wie sie hatte Wohlleben eine schriftliche Erklärung vorbereitet. Anders als sie, trug er diese selbst vor. Zschäpe hatte dies ihrem Anwalt überlassen. Wie sie scheint Wohlleben auf einen Mitleidsbonus zu spekulieren - er lese seine Erklärung deshalb vor, weil er wegen der bisherigen Haft an erheblichen Konzentrations- und Wortfindungsstörungen leide.
Lauter Gründe ihn sympathisch zu finden, hatte Wohlleben in dieser Erklärung versammelt. Da die Opferrolle - alle beruflichen Einstiegsversuche hätten Linke zunichte gemacht, indem sie die Arbeitgeber jeweils über seine NPD-Mitgliedschaft informierten. Und dort die des treuen Freundes - er wollte die von Uwe Böhnhardt gewünschte Waffe nicht besorgen, weil er nicht an einem Suizid des Freundes Mitschuld tragen konnte. Das habe dieser angedeutet, im Falle, dass man auffliegen sollte. So ist das unter echten Freunden. Das Überlassen von Mordwaffen will schon gut überlegt sein. Der Mitangeklagte Carsten Schultze habe die Waffe schließlich besorgt, keine Ahnung, auf wessen Wunsch genau. Auf Schultz ist Wohlleben offenbar sauer. Der habe ihn zu Prozessbeginn mit Lügen belastet. Da ging es um die Finanzierung der Waffe. Er, Wohlleben, sei in diese nicht einbezogen gewesen. Und er habe dafür auch gar nicht das Geld gehabt.
Ähnlich wie zuvor Beate Zschäpe, beschrieb auch Wohlleben Tino Brandt, den Mitbegründer des »Thüringer Heimatschutzes«, als treibende Kraft hinter seiner Radikalisierung. Brandt habe ihn zur NPD gebracht. Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe er in den 90er Jahren in der rechten Szene kennengelernt. Auch damals in Jena hätten sie jede Art von Gewalt abgelehnt.
Überhaupt kann Wohlleben, folgt man seiner Darstellung, offenbar bis heute nicht recht glauben, dass seine guten Kumpels Mundlos und Böhnhardt gewalt- oder gar mordbereit gewesen sein sollen. Gut, ein Waffennarr sei Böhnhardt gewesen, was er habe in seinen Besitz bringen können, habe er sich besorgt - von der Zwille bis zum Wurfanker. Aber Anzeichen möglicher oder gar geplanter schwerer Straftaten will Wohlleben nicht entdeckt haben. Diese seien ihm erst bekannt geworden, nachdem der NSU aufgeflogen war.
Von schwerer Kindheit, Demos gegen Erich Honecker zur Wende, faszinierender Erfahrung mit den Organisationsstrukturen der NPD und Sorgen um Deutschland berichtete Wohlleben am Mittwoch vor dem Münchner Gericht. In der NPD habe er übrigens keine Parteiarbeit, sondern Kinder- und Jugendarbeit im Sinn gehabt. Gegen Ausländer hatte er natürlich auch nichts. Nur gegen den »Zuzug kulturfremder Ausländer«. Freimütig äußerte sich Wohlleben über die Eigenschaften seiner früheren Freunde Böhnhardt und Mundlos - introvertiert der eine, der andere ein Schwiegermuttertyp. Und die Beate Zschäpe habe er gemocht, wegen ihrer offenen und schlagfertigen Art. Mit ihr habe man sich immer lange und gut unterhalten können.
Nicht alle kamen so gut weg in Wohllebens Aussage. Den Behörden warf er Versagen vor. Es sei ihm unerfindlich, warum der Staat die Untergetauchten nicht aufgespürt habe. Nach dem Verschwinden der drei 1998 hätte man sie, wenn man es gewollt hätte, mit Hilfe von Tino Brandt finden müssen. Brandt war damals V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes.
Wohlleben hat offenbar auch aus der öffentlichen Kritik nach Zschäpes Aussage gelernt. Im Unterschied zu dieser drückte er den Angehörigen der Opfer des NSU sein Mitgefühl aus. »Ich bedauere jede Gewalttat.« Nachdem von den fünf Angeklagten im NSU-Prozess Carsten Schultz und Holger Gerlach schon früh ausgesagt hatten und nun auch Zschäpe und Wohlleben dies taten, schweigt nur noch der mutmaßliche Terrorhelfer André Eminger. Mit Agenturen
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