Zeitgewinn für Maduro

Martin Ling über die Entscheidung des Obersten Gerichts in Venezuela

Juristisch ist die Sache klar: Der Oberste Gerichtshof hat in einem Rechtsstaat das letzte Wort. Dass sich die Opposition in Venezuela im Gegensatz zur Regierungsfraktion dem Verdikt zur Aussetzung des Mandates dreier bzw. eines Delegierten wegen mutmaßlichen Stimmenkaufs nicht beugte, sondern die besagten Abgeordneten trotzdem vereidigte, ist ein Rechtsbruch. Das hatte Konsequenzen: Das Parlament wurde vom Obersten Gericht als beschlussunfähig erklärt.

Politisch ist die Sache einfach und komplex zugleich: In Venezuela wird der Machtkampf mit harten Bandagen ausgetragen. Und so ließ es sich die regierende sozialistische PSUV nicht nehmen, kurz vor der Neukonstitutierung des Parlaments die alte Mehrheit zur Neuberufung von 13 der 32 obersten Richter zu nutzen, bevor die Opposition mit der neuen Mehrheit zum propagierten »Systemwechsel« anzusetzen versucht. Ein Versuch, der wiederum nur dann mit Aussicht auf Erfolg gekrönt ist, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament die Neubesetzung von zentralen Institutionen ermöglicht. Und diese hängt an den drei Abgeordneten.

Mit seiner Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die venezolanische Opposition vorerst bei ihrem Versuch ausgebremst, zum Sturm auf den Präsidenten Nicolás Maduro und die sozialen Errungenschaften seit Regierungsantritt von Hugo Chávez 1999 anzusetzen. Das verschafft Maduro eine Atempause. Die muss er nutzen, um den sozioökonomischen Niedergang zu stoppen.

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