Essener SPD sagt Aufmarsch gegen Asylunterkunft ab
Nach heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen / Ministerpräsidentin Kraft: Das schadet dem Ansehen der Partei insgesamt / Jusos: Wir haben die Schnauze voll
Berlin. Nach schwerer Kritik auch aus den eigenen Reihen haben drei SPD-Ortsvereine aus Essen einen für Dienstag geplanten Aufmarsch gegen neue Flüchtlingsheime in der Stadt abgesagt. Der Vorsitzende des Ortsvereins Essen-Karnap, Stephan Duda, wird mit den Worten zitiert, man fürchte, dass AfD und NPD die umstrittene Aktion als «Plattform nutzen» könnten.
Zuvor war nach Kritik an dem geplanten «Lichtermarsch» unter dem Motto «Genug ist genug. Integration hat Grenzen, der Norden ist voll» noch von «Missverständnissen» die Rede gewesen. Die SPD-Ortsvereine hatten sogar Straßenblockaden ins Visier genommen. Der Aufruf zu dem Aufmarsch wurde inzwischen im Internet gelöscht.
Der Aufmarsch war unter anderem bei Linkspartei und Grünen auf scharfe Kritik gestoßen und hatte in Sozialen Netzwerkern für helle Empörung gesorgt. «Das kann nicht Euer Ernst sein. Schämt Euch, Genossen!», hieß es da unter anderem. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, sagte, wenn die SPD gegen Flüchtlinge mobilisiere, gelte in der Tat «genug ist genug».
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, nannte den Fall «ziemlich unfassbar». Der hessische Grünen-Politiker Daniel Mack reagierte im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: «Das kann doch nicht die Haltung der SPD sein?» Der Essener Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring äußerte sich «entsetzt» über den gesamten Vorgang. Er warf den beteiligten SPD-Kommunalpolitikern vor, AfD und NPD nachlaufen zu wollen«.
Schnell wurde auch deutliche Kritik bei den Sozialdemokraten laut. Die Jusos in Essen zeigten sich ebenfalls entsetzt. »Wir haben die Schnauze voll«, hieß es in einer Erklärung auf Facebook. Die »plumpen Aussagen des Aufrufes unterstützen weder die Integrationsarbeit, noch eine gerechte Verteilung von Geflüchteten innerhalb der Stadt Essen«. Stattdessen treibe der Aufruf zu dem Aufmarsch »einen Keil in die Gesellschaft«.
Auch die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, sagte, solche Protestaktionen schadeten dem Ansehen der SPD insgesamt. Der Generalsekretär der NRW-SPD, André Stinka, erklärte mit Blick auf Kritik aus der Union: »Ratschläge von Parteien, in denen Obergrenzen für Flüchtlinge gefordert werden, entlarven sich von selbst als billige Stammtisch-Rhetorik.« nd
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