Dem TÜV auf die Finger geschaut
EU-Pläne: Genehmigung von Autos soll strenger und unabhängiger werden
Als Konsequenz aus dem Abgas-Skandal bei VW will die EU-Kommission das Genehmigungssystem für Autotypen ändern. Die EU müsse die Befugnis haben zu überprüfen, wie technische Prüfdienste und nationale Behörden arbeiten, erklärte Indus-triekommissarin Elzbieta Bieńkowska am Mittwoch bei der Vorstellung der Pläne in Brüssel.
Bisher sind allein die nationalen Genehmigungsbehörden wie in Deutschland das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) für die Bescheinigung zuständig, dass ein Fahrzeug alle Sicherheits- und Umweltanforderungen erfüllt, um auf den Markt gebracht zu werden. Künftig soll es den Plänen zufolge eine stärkere europäische Aufsicht geben. Laut dem Richtlinienvorschlag kann die EU-Kommission nachträgliche Prüfungen durch ihre eigene Forschungsabteilung vornehmen und gegebenenfalls Rückrufe starten sowie technischen Diensten, die unzulänglich arbeiten, die Genehmigung entziehen. Zu den Vorschlägen gehört auch, dass künftig nicht nur Prototypen neuer Modelle getestet werden sollen, sondern auch Fahrzeuge, die bereits im Verkehr unterwegs sind.
Auch wenn die Verantwortlichen dies nicht so deutlich sagen: Die stärkere EU-Aufsicht ist der Erkenntnis geschuldet, dass die nationalen Behörden und die von ihnen ernannten technischen Dienste wie in Deutschland TÜV oder Dekra bei der Typgenehmigung bisher nicht allzu genau hinsehen. Kritiker vermuten, dies liege vor allem an der finanziellen Abhängigkeit von den Autoherstellern, die die Prüfungen bezahlen. Brüssel schlägt deshalb vor, die direkten Geldströme zu kappen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und die Unabhängigkeit der Prüfungen zu gewährleisten. Daher sollen die Staaten künftig die Gebühren einziehen und an die Dienste weiterverteilen.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen, ergänzte, es gehe darum, die Regeln etwa für Abgastests strenger zu gestalten, wie es der Brüsseler Vorschlag zur Einführung von Tests im realen Fahrbetrieb vom September 2015 vorsieht. Das Hauptproblem sei aber die Durchsetzung der Regeln, wie gerade der VW-Skandal gezeigt hat. Abschalteinrichtungen, die das Emissionsverhalten auf einem Rollenprüfstand beeinflussen, waren schon bisher verboten, doch der Konzern setzte sie in Millionen Fahrzeugen weltweit ein. Brüssel setzt daher auf das Prinzip der Abschreckung: Bei Verstößen sollen künftig Bußgelder von bis zu 30 000 Euro je Fahrzeug gegen Autokonzerne verhängt werden können. Ferner müssen die Hersteller nach dem Verordnungsentwurf die Softwareprotokolle von Autos zugänglich machen. So werde es sehr schwer, Emissionsvorschriften zu umgehen, meint zumindest die EU-Kommission. Helfen soll dabei auch eine Vorschrift für Hersteller, ihre Emissionsminderungsstrategie offenzulegen, wie dies in den USA geschieht.
Ob die Vorschläge Gesetz werden, bleibt abzuwarten: Sie benötigen die Zustimmung des Europaparlaments und der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die sich in Brüssel aber erfahrungsgemäß stark für die Interessen ihrer jeweiligen Autohersteller ins Zeug legen.
Wie chaotisch es unter nationaler Prüfägide zugeht, zeigt die behördlich verordnete Rückrufaktion bei VW: Offenbar ist diese schon gestartet. Zumindest ein betroffenes Auto der Modellreihe Amarok hat am Mittwoch ein Software-Update erhalten, wie dpa erfuhr. Das für die Genehmigung zuständige KBA indes erklärte, es gebe noch gar keine Freigabe für die von VW geplante technische Lösung.
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