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Biolumne

Ein ganz spezielles Genomprojekt

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 3 Min.

In Hongkong blühen überall die Baumorchideen (Bauhinia blakeana). Die Blüte ist seit 1997 in der Flagge Hongkongs und auf Münzen verewigt. Die etwa 25 000 Bauhinia-Bäume Hongkongs sollen alle von einem einzigen Baum abstammen. Die Pflanze fand der französische Missionar Jean-Marie Delavay 1880 bei einer Wanderung im damals außerhalb Hongkongs liegenden Dorf Pok Fu Lam. Da sie offenbar ein Hybrid ohne Samen war, schnitt der Priester einen Zweig ab und bewurzelte ihn. Im Botanischen Garten der katholischen Mission bekam die Pflanze den Gattungsnamen Bauhinia nach den Botanikern Jean und Gaspard Bauhin. Der Artname blakeana ehrte den damaligen britischen Gouverneur von Hongkong, Sir Henry Blake. Der war selber begeisterter Botaniker. Was für Zeiten!

Heute trifft man die Bauhinia überall in Hongkong. Es ist der wohl häufigste und auch schönste Straßenbaum der Stadt mit nierenförmigen Blättern und rosa-violetten bis roten Blüten.

Als 1990 klar wurde, dass die Kronkolonie 1997 an China zurückgehen würde, begann die Suche nach einer Fahne für die »Spezielle Administrative Region (SAR) Hongkong«. Das Symbol sollte einfach, einprägsam und elegant sein und natürlich ... unpolitisch.

Gefährliche Drachen wurden wegen möglicher Missverständnisse abgelehnt, ebenso lustige Affen und der vom Aussterben bedrohte Rosa Hongkong-Delfin.

Der Hongkonger Designer Hon-bing Wah machte dann das Rennen. Er ließ sich vom Ahornblatt in der Flagge Kanadas inspirieren. Seine Bauhinia-Blüte ist wie eine Windmühle mit fünf Blütenblättern, angeregt auch von traditionellen chinesischen Scherenschnitten. Bereits 1990 nahm ein Parteikongress der KPCh in Beijing »planmäßig und einstimmig den genialen Flaggenentwurf« an. Genial? Rot steht nicht nur für das kommunistische Rot als Blut der Arbeiterklasse, es ist auch die Farbe der Han-Dynastie des ersten Kaisers von China! Die Glücksfarbe!

Die Bauhinia-Blüte auf der roten Fahne symbolisiert Hongkong als untrennbaren Teil Chinas. Und das Weiß? Natürlich Dengs Idee: Ein Land - zwei Systeme! Dann noch fünf rote Sterne, einer auf jedem Blütenblatt in der Flagge. Auf der Flagge der Volksrepublik repräsentieren die fünf Sterne die KP (natürlich der größte Stern) und vier Gruppen: Arbeiter, Bauern, Kleinbürgertum und nationale Minderheiten.

Nun wollen Hongkonger Forscher das Erbgut ihres genialen Symbols entschlüsseln. Die benötigten 10 000 US-Dollar werden durch modernes »Crowdfunding« von interessierten und patriotischen Hongkongern eingeworben.

Das sind Peanuts im Vergleich zum Humangenomprojekt, das bekanntlich stolze drei Milliarden Dollar verschlungen hat. Man darf nun gespannt sein, denn einen peinlichen Fehler hat man mit der Wahl der Bauhinia als Symbol wohl doch gemacht: Hybride sind oftmals steril und tragen deshalb keine eigenen Früchte ... Oder war auch das ein politisch »genialer« chinesischer Hintergedanke?

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