Mit Strafzöllen gegen Chinas Billigstahl

Beschäftigte und Unternehmervertreter demonstrieren für mehr Schutz durch die EU

Europas Stahlfirmen bangen um ihre Zukunft, die Beschäftigten um ihre Jobs. Bei einem Aktionstag in Brüssel stellten sie ihre Forderungen vor.

Rund 5000 Arbeiter und Firmenvertreter der Stahlindustrie aus 17 EU-Ländern haben am Montag in Brüssel gegen chinesisches Dumping demonstriert. Der Protest richtete sich gegen das Vorhaben der EU-Kommission, China den Marktwirtschaftsstatus zu gewähren, was Anti-Dumping-Maßnahmen erschweren würde. »Die Waren werden unter Herstellkosten verkauft, um Wettbewerber aus dem Markt zu drängen«, sagte Milan Nitzschke, Sprecher der Industrieallianz AEGIS, die den Protest mitorganisiert hatte.

Auf China entfällt die Hälfte der weltweiten Stahlproduktion von gut 1,6 Milliarden Tonnen im Jahr 2015. Massiv erweitert wurden die Kapazitäten in der Phase des Baubooms, die mit dem Konjunktureinbruch zu Ende gegangen ist. Die Überproduktion wird zu Niedrigpreisen auf den Weltmarkt geworfen. Seit Sommer 2008 stürzte der Preis von 1265 Dollar pro Tonne auf rund 200 Dollar ab. Laut EU-Kommission gingen in der europäischen Branche in den vergangenen Jahren rund 40 000 Arbeitsplätze verloren. Erst vor wenigen Tagen kündigte der Stahlrohrhersteller Vallourec an, vier Werke in Frankreich, Deutschland und Schottland zu schließen.

Die EU verhängte soeben vorläufige Anti-Dumping-Zölle auf Importe von kaltgewalzten Flachstahlprodukten aus China (je nach Unternehmen zwischen 13,8 und 14,5 Prozent), aber auch aus Russland (19,8 bis 26,2 Prozent), wo neue Kapazitäten in Betrieb gehen und Hersteller in Folge des Rubelverfalls erhebliche Preisvorteile haben. Die Zölle sollen für sechs Monate gelten und können für fünf Jahre verlängert werden. Bei anderen Erzeugnissen wurden Untersuchungen eingeleitet. Für AEGIS sind die Strafzölle viel zu niedrig. In einem Brandbrief forderten Deutschland und sechs weitere EU-Länder einen besseren Schutz vor »unfairen Handelspraktiken«. Die EU-Kommission erklärte, sie handele, so schnell es im Rahmen des europäischen Rechts möglich sei.

In Brüssel legten die Demonstranten vor dem Kommissionsgebäude über 1000 Schutzhelme nieder, die die Millionen gefährdeter Jobs symbolisieren sollten. Firmenvertreter übergaben ein »Industriemanifest für freien und fairen Handel« an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Er unterstütze die Anliegen der Demonstranten, sagte der SPD-Europarlamentarier Bernd Lange (SPD). »Wir müssen Arbeitsplätze sichern und den Kernbestandteil industrieller Wertschöpfung in Europa erhalten.«

Zu den Forderungen der Demonstranten gehörte auch der Stopp der geplanten Emissionshandelsreform. Ab 2019 will die EU das Angebot an CO2-Zertifikaten verknappen, um ihre Klimaschutzziele zu erfüllen. Ein ökologischer Aufschlag bei der Bemessung der Strafzölle wäre aber der bessere Weg, meint der Bremer Ökonom Rudolf Hickel: »Global gedacht lohnt sich der Schutz vor ökologischem Dumping. Wenn die deutschen Stahlwerke, die auf dem neusten Stand der Modernisierung produzieren, durch China verdrängt würden, wäre das auch ökologisch eine Katastrophe.«

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