Rätselraten vor der Biathlon-WM
Ein ungewöhnlicher Saisonverlauf machte aus der Vorbereitung auf die Titelkämpfe in Oslo ein Experiment
Als die deutsche Biathlonmannschaft am Dienstag in Oslo ankam, zeigte ihr der Holmenkollen gleich mal sein trübes Gesicht. Tief in Nebel gehüllt war kaum etwas von den WM-Vorbereitungen am »heiligen« Skiberg der Norweger zu erkennen, und auch für die kommenden Tage ist feuchtes Schmuddelwetter angesagt. Die Bilder der schneebedeckten Hügel unter strahlend blauem Himmel, für die der Holmenkollen spätestens seit der Nordischen Ski-WM 2011 ebenso berühmt ist, werden die Biathlonfans wohl erst in der zweiten WM-Woche zu sehen bekommen. Zum Glück strecken sich die Titelkämpfe der skilaufenden Schützen mittlerweile ja über elf Tage.
Zum Auftakt steht an diesem Donnerstag die Mixedstaffel an, ein Wettkampf, bei dem die stärksten Nationen wie Norwegen, Deutschland, Frankreich und Russland ihre besten Athleten oft noch schonen, während andere, wie Tschechien oder Italien, große Hoffnungen in ihn setzen. Die deutschen Disziplintrainer Gerald Hönig (Frauen) und Mark Kirchner (Männer) nominierten einen Tag vor dem WM-Start Franziska Preuß, Franziska Hildebrand, Arnd Peiffer, und Simon Schempp. Laura Dahlmeier, die in dieser Saison die meisten deutschen Saisonsiege bei den Frauen einfahren konnte, greift erst am Wochenende ins Geschehen ein, wenn im Sprint und der Verfolgung die ersten Einzelmedaillen vergeben werden.
Schempp lief in diesem Winter bereits zu vier Weltcupsiegen und insgesamt acht Podiumsplätzen - bei gerade einmal zwölf Starts. Doch in diesem Zusatz liegt auch sein Problem. Schempp war infektanfällig, weshalb er auch die letzten Rennen in Presque Isle ausließ. »Ich wollte nichts riskieren vor der WM. Ich weiß, dass ich keine Chance habe, wenn ich krank bin. Und wenn ich trotzdem laufe, treibe ich meinen Körper so in den Keller, dass ich gleich für vier Wochen ausfalle«, sagte Schempp am Rande des WM-Lehrgangs in Ruhpolding. Auch im Chiemgau trainierte er zunächst gebremst, bevor er vor wenigen Tagen Entwarnung gab. Die Erkältung scheint überwunden, die WM kann kommen. »Ich weiß, dass ich nach Rückschlägen sofort wieder vorn mitmischen kann. Das haben die letzten beiden Jahre gezeigt«, so Schempp.
Auch Laura Dahlmeier nahm nur zwölf der bisher möglichen 19 Einzelrennen der Saison in Angriff. Sie konnte ebenso viermal gewinnen, doch sie musste zwischendurch oft gegen Krankheiten kämpfen. An Oslo hat sie jedoch grundsätzlich gute Erinnerungen. »Dort bin ich zum ersten Mal im Weltcup gelaufen. Auf die Strecken freue ich mich immer«, sagte sie kurz vor der Abreise. »Die Saison lief für mich sehr gut. Und wenn man großes Glück hat und gute Leistungen abliefert, darf man vielleicht sogar zum König«, hofft die 22-Jährige bei der WM auf einen Sieg und den damit verbundenen Besuch in der Königsloge. »In jeder Disziplin habe ich die Möglichkeit, ganz oben zu landen, wenn die Konkurrenz ein bisschen mitspielt.«
Ob dieser Wunsch eintrifft, lässt sich diesmal besonders schwer prognostizieren, da die letzten beiden Weltcupwochenenden vor den Titelkämpfen mit ungewöhnlich großem Reisestress nach Nordamerika verbunden waren. Speziell die WM-Gastgeber aus Norwegen ließen in Person von Tiril Eckhoff, Emil Hegle Svendsen und Ole Einar Bjorndalen die Reise komplett aus und bereiteten sich lieber konzentriert auf die Heimspiele vor.
Die deutsche Mannschaft konnte sich nicht richtig entscheiden. Besonders das Frauenteam teilte sich gleich mehrfach auf. So wurden die Weltcups in Kanada und den USA mal teilweise (Dahlmeier, Hildebrand), mal komplett mitgenommen (Preuß, Gössner) oder doch ganz ausgelassen (Hammerschmidt, Hinz). Welche Strategie letztlich die beste war, werden die kommenden elf Tage zeigen.
Speziell für Vanessa Hinz, die 2015 Staffelgold gewann, war die lange Auszeit zermürbend. »Das war schon hart: Ich war gesund, doch die anderen liefen im Weltcup, während ich einen Trainingsblock einlegen sollte«, erzählte Hinz. »Doch dafür fühle ich mich jetzt richtig gut und bin heiß auf die WM.« Auch Maren Hammerschmidt, die ihre erste WM erleben wird, war froh, endlich Ruhpolding verlassen zu können. »Ich war sechs Wochen an einem Fleck. Und da bekommt man irgendwann einen Koller. Auch wenn ich mich dort eigentlich sehr wohlfühle, freue ich mich unheimlich auf Oslo«, sagte sie.
Freuen kann sich die Winterbergerin vor allem auf 25 000 Fans, die an den WM-Tagen am Holmenkollen erwartet werden, auch wenn noch für alle Wettkämpfe Karten erhältlich sind. Für eine gute Stimmung können die Norweger immer garantieren, auch wenn sie sich 2014 gegen eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 entschieden. Die besten Sportler der Welt laden die Norweger immer gern ein, nur für die Mitglieder des IOC wollten sie keine Milliarden ausgeben. So wurden es 100 Millionen Kronen, etwa 10,6 Millionen Euro, für die Biathlon-WM, wovon die Stadt Oslo fast ein Viertel übernimmt, damit mobile Tribünen für zusätzliche 9000 Fans gebaut werden konnten. Der Rest des Etats wird aus Sponsorengeld und Ticketerlösen bestritten.
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