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Die Trennung von Staat und Küche

Im Kieler Landtag machte sich die CDU mit ihrer Schweinefleischoffensive zum Gespött

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Vorstoß der Nord-CDU, Kantinen zum Anbieten von Schweinefleisch zu verdonnern, ist gescheitert. Die Initiative war womöglich vom Front National und dänischen Populisten abgekupfert.

Wer oder was hat die CDU im hohen Norden geritten, als sie in der vergangenen Woche mit einer Initiative um die Ecke kam, öffentliche Kantinen sowie Schulen und Kitas zum Anbieten von Schweinefleisch zu verpflichten? Darüber debattierte nun der Kieler Landtag - und die Christdemokraten mussten neben ernsthafter Kritik auch viel Spott einstecken, bevor der Antrag kläglich scheiterte. Unter dem Strich haben sich die Christdemokraten mit ihrem Vorstoß, die »Integrationsdebatte« auf dem Mittagsteller auszutragen, bundesweit blamiert; nicht einmal in den drei Bundesländern, in denen am Sonntag gewählt wird, wollte man die Idee aufgreifen.

Dankbar waren indessen die Satiriker - wirkte der viel verspottete Vorstoß doch wie ein aufgewärmter Rest des berühmt-berüchtigten »Veggie Day«, mit dem die Grünen bei der Bundestagswahl 2013 baden gingen. Und auch im Landtag beflügelte der Ruch von Würsten, Bauchfleisch und Kotelett Wortbeiträge von kabarettistischem Format, während die Kantine im Landeshaus passend zum Thema Schweinenackenbraten als Hauptgericht offerierte.

»Die Landesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen erhalten bleibt«, lautete der Antrag - und die Erklärungsversuche blieben dürftig. Neben schweinefleischfreien städtischen Kitas in Norderstedt musste als Beispiel das Berufsschulzentrum Itzehoe herhalten, wo Mettwurstbrötchen aus dem Angebot gestrichen wurden! Was daran so skandalös sei, dass sich der Landtag damit befassen müsse, begründete die CDU ausgerechnet mit einem Toleranzargument: Eine Minderheit dürfe einer Mehrheit keine Essvorschriften aufzwingen, eine falsch verstandene Rücksichtnahme sei fehl am Platze, so Kommentare seitens der Nord-CDU, deren diesbezügliche Haltung übrigens von der Bundesvorsitzenden Angela Merkel verteidigt wurde.

Vertreter aller anderen Parteien im Landtag warfen der CDU dagegen vor, sie schüre Ressentiments gegen Minderheiten, setze auf Rechtspopulismus und fische nach Sympathie am rechten Rand. Diese Vorhaltungen kommen nicht von ungefähr, schließlich kopierte die Nord-CDU letztlich einen Vorstoß des rechtsgerichteten französischen Front National. Der hatte sich schon vor zwei Jahren gegen die Streichung von Schweinefleisch in öffentlichen Einrichtungen ausgesprochen. Anfang des Jahres sorgte zudem ein von der nationalkonservativen Dansk Folkeparti initiierter Beschluss in der norddänischen Kommune Randers für Aufsehen im Nachbarland. Dort ist es Kantinen und Kitas seither tatsächlich vorgeschrieben, Schweinefleisch auf den Speisenplan zu setzen; die Presse sprach vom »Frikadellenkrieg«. Auf diese Vorbilder angesprochen reagierte die CDU überaus dünnhäutig. Solche Parteien hätten ihr keinesfalls als Stichwortgeber gedient.

Neben solcher politischen Kritik griffen die Redner im Kieler Landeshaus indes auch in die humoristische Kiste. Martin Habersaat (SPD) rief etwa zur Verteidigung der Freiheit am Schwenkgrill auf. Angelika Beer von den Piraten forderte eine Trennung von Staat und Küche und bezichtigte die CDU eines »Esskulturimperialismus«. Oliver Kumbartzky (FDP) attestierte der CDU, sie bewege sich im Schweinsgalopp zum Wurst-Case Szenario mit Kulturkampf des christlichen Abendlandes am Kantinenbüfett. Und der Grüne Rasmus Andresen erinnerte mehrdeutig an ein Zitat seines Parteikollegen Jürgen Trittin: »Der größte Drogenumschlagplatz ist der Schweinestall.«

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