Maschine schreibt preisverdächtiges Buch
In Japan hat eine Software mehrere Kurzgeschichten geschrieben, von denen mindestens eine in die engere Auswahl für einen Literaturpreis gekommen ist
Tokio. »An diesem Tag hingen die Wolken tief. Es war ein trüber Tag. Im Zimmer waren Temperatur und Luftfeuchtigkeit wie immer genau richtig. Yoko lümmelte sich auf dem Sofa und vertrieb sich die Zeit mit einem albernen Spiel.« So beginnt eine der Geschichten, die die von japanischen Forschern entwickelte Software »Ich bin ein Schriftsteller!« geschrieben hat.
Ob dies das Maschinenwerk war, das die erste von insgesamt vier Auswahlstufen für den »Hoshi Shinchi«-Literaturpreis erfolgreich passiert hat, wollten die Preisrichter allerdings nicht verraten. »Ich war erstaunt über die Qualität der Texte«, erklärte einer der Preisrichter im öffentlich-rechtlichen Sender NHK. Wenn die Geschichten noch ein bisschen bearbeitet worden wären, hätten sie durchaus Chancen gehabt, auch die nächsten Stufen des Auswahlverfahrens zu bestehen, so der hauptberufliche Schriftsteller Tsukasa Tono weiter.
Menschen geben Handlung vor
Ganz aus Computerhand sind die Geschichten jedoch nicht entstanden, gibt Hitoshi Matsubara zu, Spezialist für künstliche Intelligenz (KI) von der Zukunftsuniversität Hakodate. »Noch brauchen die Maschinen in vielerlei Punkten menschliche Hilfe«, sagte der Leiter des Projekts. Die eingereichten Geschichten seien zu 80 Prozent in menschlichen Hirnen entstanden, so Matsubara.
Die Handlung der Geschichten haben Menschen erdacht und in die Software eingespeist. Die KI-Software hat daraufhin den Text zu der jeweiligen Handlung geschrieben. Dafür folgte sie verschiedenen Regeln, die die Forscher der Software vorgegeben hatten.
So hatten sie für den ersten Satz beispielsweise vorgegeben, dass er Informationen über das Wetter enthalten muss und dass erklärt werden muss, was die Hauptfigur tut. Die Software wählte aus einem Katalog verschiedener Möglichkeiten jeweils eine aus. Dabei musste die Software selbständig erkennen, ob das Wetter und die Handlung der Hauptfigur zusammenpassen.
»Dass künstliche Intelligenz es schafft, mehrere tausend Wörter lange, sinnvolle Texte zu schreiben, ist eine große Leistung«, freute sich der ebenfalls an der Entwicklung der »Literatur-Maschine« beteiligte KI-Forscher Satoshi Satoh von der Universität Nagoya. Noch kühner sei es, in Zukunft auch das Ausdenken der Handlung der künstlichen Intelligenz zu überlassen. Bis dahin müssten zwar noch einige Hürden genommen werden. Doch sei es nur noch eine Frage der Zeit, wann das erste ganz von Maschinen geschriebene Buch auf den Markt komme, so die Forscher.
Sogar für das Go-Spiel geeignet
Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz geht rasant voran. Erst vor wenigen Tagen hatte eine KI-Software der amerikanischen Firma Google den Go-Weltmeister Lee Sedol mit 3:1 geschlagen. Dabei galt das Brettspiel Go wegen der vielen möglichen Spielzüge lange als zu komplex für Maschinen.
Auch im kreativen Bereich, der bislang als menschliche Domäne galt, werden immer neue Erfolge mit künstlicher Intelligenz gemeldet. So gibt es bereits von Computern komponierte Musikstücke, für die Menschen nur noch Melodie und Länge des Stücks festlegen mussten. In der Literatur ist es KI-Software bereits gelungen, kurze, nach strengen Regeln zu verfassende japanische Haiku-Gedichte zu kreieren.
Der jetzige Versuch, Maschinen einen Roman schreiben zu lassen, setzt allerdings neben einer nachvollziehbaren Geschichte auch voraus, dass die Handlung abwechslungsreich und interessant genug ist, um ihre Leser bis zur letzten Seite zu fesseln. »Als Science-Fiction Autor freue ich mich auf den Tag, an dem künstliche Intelligenz Romane für künstliche Intelligenz schreibt«, kommentierte Literaturpreis-Richter Tono das Vorhaben denn auch augenzwinkernd.
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