Brüssel als Fanal für Europas Hooligans
Rechtsgerichtete Fußballschläger vernetzen sich zunehmend international. Strafverfolgern bereitet das Probleme
Als am vergangenen Wochenende 400 rechtsgerichtete Hooligans die Gedenkfeier für die Brüsseler IS-Opfer störten, Trauergäste schlugen und rechte Parolen grölten, war die Überraschung groß. Tatsächlich war es das erste Mal seit der eskalierten Großdemonstration der »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSa) im Oktober 2014 in Köln, dass eine gewalttätige Menschenmenge, die ausschließlich aus Hooligans bestand, im Zentrum einer europäischen Großstadt Angst und Schrecken verbreitete.
Für Kenner der Szene wie den Berliner Fanforscher Robert Claus sind allerdings weder der Zeitpunkt noch der Anlass für die Randale überraschend. Seit gut zwei Jahren beschäftigten sich viele europäische Hooliganszenen fast ausschließlich mit Zuwanderung und Islamismus, sagt er. »Das ist das beherrschende Thema.« Längst sind dabei Allianzen über Landesgrenzen hinweg entstanden. Mit den Brüsseler Ausschreitungen solidarisierten sich Stunden später Dutzende europäische Gruppen. Selbst im fernen New York posteten Ultras des Erstligisten New York City Football Club Bekenntnisse gegen den Islamischen Staat. In Deutschland tummeln sich derweil viele Ultra- und Hoolgruppen auf einer Seite mit dem Titel »Ultras not reds«.
Nun sind Bekenntnisse gegen den IS natürlich keinesfalls ein rechtes Statement. Sympathien für die Mörderbanden hat schließlich in Europa kein politisches Lager. Doch bei den »nicht-roten« Ultras braucht man nicht lange zu rätseln, aus welchem Spektrum die Unterstützer aus dem In- und Ausland kommen. Keltenkreuze, Reichsfahnen, Yr-Runen und »Refugees-not-welcome«-Buttons finden sich dutzendweise in den Postings aus dem In- und Ausland. Vor allem in vielen osteuropäischen Ultra- und Hooligangruppen ist rechtsextremes Gedankengut Allgemeingut.
Fußballschläger aus Polen, Russland, der Ukraine, Tschechien oder Ungarn - zum Teil völlig analog zur Mehrheitsstimmung in der Bevölkerung - machen dann auch keinerlei Unterschiede zwischen den IS-Schlächtern und Flüchtlingen und lancieren martialische Kampf- und Mordaufrufe gegen beide. Viele Gruppen sind dabei bewaffnet und paramilitärisch organisiert - viele ihrer Mitglieder waren und sind zudem in Kriege (Kosovo, Krim) involviert und nicht eben zart besaitet.
Parallel läuft in Deutschland eine Entwicklung ab, in der ältere Hooligans wieder aktiver werden und im Islam-Thema ein Mobilisierungsfeld gefunden haben, während parallel einige Ultragruppen an den Rändern ausfransen. In mehreren Szenen hört man derzeit die Klage, dass vor allem Jüngere den Gewaltkick suchen und immer mehr Zeit in den Mixed-martial-Arts-Studios ihrer Städte verbringen. Viele von ihnen sind schwer fasziniert von der Militanz, wie sie in Brüssel oder Osteuropa zutage tritt: »Viele extrem rechte Hooligangruppen gucken mit einem fast schon neidischen Blick auf die Szenen in Osteuropa, vor allem in Russland«, sagt Robert Claus. »Die dortige Szene gilt als sehr hart und hat keine Probleme, mit Hakenkreuzen aufzutauchen.«
Doch auch die gewaltbereite Fußballszene in Deutschland begreift sich zunehmend als politischer Akteur. In Leipzig-Connewitz, einer Hochburg der linken Szene, hinterließen Mitte Januar 250 rechte Hools eine Spur der Verwüstung. Auch bei den Pegida-Demos und ihren Ablegern sind Hooligans eine tragende Säule - bei den Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in Freital oder Heidenau wurden zahlreiche Hooligans in vorderster Front erkannt. Und Anfang des Jahres musste die Polizei gleich an mehreren Orten »Bürgerwehren« auflösen, die rechte Hooligans gebildet hatten. In Köln und Mönchengladbach löste die Polizei die alkoholisierten und bewaffneten Gruppen auf, in Bielefeld fand sie Sturmhauben, Messer, Fackeln und Quarzsandhandschuhe.
Gerade im Bereich der Rocker- und Türsteherszene, aus der sich in vielen Städten die Hools rekrutieren, geht es neben ideologischen Punkten oft auch um pure Revierstreitigkeiten. Und darum, wer das Sagen auf der Straße hat. Als im September 2014 in Wuppertal eine »Scharia-Polizei« patroullierte, war der Aufschrei laut. Dass sich kurz darauf aus diesen rechten Kreisen die ersten selbst ernannten Bürgerwehren gründeten, ist dann auch kein Zufall.
Die staatliche Strafverfolgung stößt in diesen Mischszenen oft an ihre Grenzen. Wie auch im Bereich der politischen Kriminalität suchen Staatsanwälte und BKA oft noch nach klassischen Organisationsformen. Doch weder Hooligans noch Rechtsextreme - es sei denn, sie gehen so befremdlich naiv vor wie die jüngst verbotene »Old School Society« - organisieren sich in diesem Jahrhundert mit Mitgliedsauweisen und Kassenprüfern. Sozialwissenschaftler sind im Gegensatz zu staatlichen Behörden daher auch längst dazu übergegangen, von »kollektiven Identitäten« statt von Vereinigungen zu sprechen.
Um die Gruppierung »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa), die 2014 fast 5000 Anhänger mobilisierte, ist es derweil ruhig geworden. Stattdessen werden im Forum »Hooltras Deutschland« Gewaltorgien wie die von Connewitz offen abgefeiert.
Die Organisationsformen der rechten Hooligans haben sich also gewandelt. Doch nach Ansicht von Claus hat die Szene längst das Thema gefunden, mit dem sie auch in den kommenden Jahren mobilisieren werden: »Isis und Islam werden in den kommenden Jahren die große Klammer sein.«
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