Keine Zeit zum Reden
Ethikrat sorgt sich um das Patientenwohl in den Krankenhäusern
Berlin. Eine zu starke Ausrichtung am Umsatz statt am Patienten führt zu zahlreichen Missständen bei den knapp 2000 Krankenhäusern in Deutschland. Das beklagt eine am Dienstag in Berlin veröffentlichte Stellungnahme des Deutschen Ethikrats, der die Politik berät. Mit Blick auf das Patientenwohl gebe es »Anlass zur Sorge«. Der Rat forderte daher neue Weichenstellungen für die Kliniken. »Die Krankenhausversorgung befindet sich auf einem hohen Niveau, aber sie knirscht, weil sie unbalanciert ist«, sagte die Vorsitzende Christiane Woopen.
Den Krankenhäusern fehlt es laut Ethikrat an Planungssicherheit. Deshalb setzten sie oft alles daran, die Ausgaben zu drücken. Die Kliniken tendieren dem Rat zufolge dazu, gewinnbringende Behandlungen im Übermaß anzubieten. Lücken entstünden dagegen bei der Versorgung weniger lukrativer Patienten. Verbesserungen sind demnach vor allem nötig für ältere Patienten, Menschen mit mehreren Krankheiten, Demenzkranke, aber auch für Kinder. Behinderte würden oft unter Vortäuschung von Platzproblemen ganz abgewiesen, so Ratsmitglied Peter Radtke.
Als Kernproblem sieht der Rat Kommunikationsprobleme an. Es gebe nicht nur mangelnde Hinwendung zum Patienten und oft zu wenig Aufklärung über Behandlungen und Alternativen, sagte Ratsmitglied Michael Wunder. Auch zu Fehlbehandlungen käme es durch zu wenig Kommunikation. Zeit sei Mangelware. Dem Pflegepersonal gehe dadurch oft Empathie verloren.
Das Beratungsgremium empfiehlt, die Krankenpflege durch Mindestquoten für Pflegekräfte zu verbessern. Die Krankenhäuser sollten die Behandlungen von Patienten mit mehreren Krankheiten angemessener abrechnen können. Durch bessere Kommunikationsabläufe sollen den Patienten mehr Informationen zugänglich werden. Das soll sich laut den Experten auch in der Bezahlung der Kliniken niederschlagen. Der Deutsche Ethikrat berät die Politik in ethischen, medizinischen, rechtlichen und sozialen Fragen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft betonte, beim Pflegepersonal und den Ärzten seien in den vergangenen Jahren Zehntausende zusätzliche Stellen geschaffen worden. Durch ein Förderprogramm der Koalition werde die Einstellung weiterer 6000 Pflegekräfte gefördert. Die Finanzierung müsse aber gesichert sein. dpa/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.