Gauck und Merkel hofieren Mexikos Präsidenten
Enrique Peña Nieto wird trotz desaströser Menschenrechtsbilanz mit allen Ehren empfangen
Von den Mächtigen in Deutschland wird Mexikos Staatspräsident Enrique Peña Nieto freundlichst empfangen, von Kennern Mexikos nicht. Am Montag gab Bundespräsident Joachim Gauck seinem Konterpart die Ehre, am Dienstag dann die Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstselbst: Schließlich ist Mexiko innerhalb Lateinamerikas der zweitwichtigste Wirtschaftspartner.
Doch ob am Dienstag vor der dem Bundeskanzleramt oder am Sonntag am Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof: Menschenrechtsaktivisten und Mexikokenner demonstrierten gegen Folter und das Verschwindenlassen von Menschen in Mexiko. Sie erinnerten unter anderem an die 43 verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero und an das Folteropfer Yecenia Armenta. Am Dienstag war Amnesty International vor dem Bundeskanzleramt federführend. Aktivisten hielten im Wechsel Porträts der 43 verschwundenen Studierenden aus Ayotzinapa und von Yecenia Armenta in die Höhe. Die Lehramtsstudenten waren am 26. September 2014 im Bundesstaat Guerrero 43 spurlos verschwunden - bis heute. Armenta wurde von der Polizei gefoltert und vergewaltigt. Sie sitzt seit drei Jahren im Gefängnis, aber die Täter werden bis heute nicht verfolgt.
Seit Beginn der Amtszeit von Nieto Ende 2012 sind laut der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) in Mexiko über 94 000 Menschen getötet worden. 98 Prozent der Verbrechen blieben ungeahndet. Auch seien aktuell noch immer 25 000 Menschen vermisst. Viele von ihnen sind Opfer des Verschwindenlassens - und die Behörden unternehmen fast nichts, um diese Verbrechen aufzuklären.
Am Freitag war Bundespräsident Gauck und Kanzlerin Merkel ein offener Brief von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko überreicht worden, in der die Missstände angeprangert und die Bundesregierung aufgefordert wurde, Peña Nieto dazu aufzufordern, die Menschenrechtslage zu verbessern. Die Antwort steht noch aus.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag von Merkel und Peña Nieto spielten Menschenrechte bei den Statements eine marginale Rolle: Zusammenarbeit beim Kampf gegen Organisierte Kriminalität und für Menschenrechte nannte Merkel als Felder der Zusammenarbeit unter ferner liefen. Konkreter wurde sie anschließend auf Nachfrage: Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) sei an der Aufklärung der Morde der 43 verschwundenen Studierenden beteiligt. Wie das genau aussieht, sagte Merkel nicht und konnte die GIZ auf Anfrage bis zum Redaktionsschluss nicht präzise beantworten.
Zusammenarbeit im Kampf gegen Organisierte Kriminalität hört sich auf den ersten Blick gut an, auf den zweiten weniger, so die Aussagen im offenen Brief: »Die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, dient als Vorwand. Ziel ist es, durch Folter Geständnisse zu erpressen und somit schnelle Ermittlungserfolge vorweisen zu können. Polizisten und Soldaten die foltern, müssen keine Angst vor Strafverfolgung haben, während die Opfer trotz eines Mangels an Beweisen häufig im Gefängnis sitzen.«
Auch Bundespräsident Gauck hatte Peña Nieto deutsche Hilfe im Kampf gegen Drogenkartelle und Verbrecherbanden angeboten. Es gebe bereits ein Projekt zur Unterstützung der mexikanischen Staatsanwaltschaft. Weitere Kooperationen könnten folgen. Beide Länder planen seit Längerem ein gemeinsames Sicherheitsabkommen. Demnach soll Deutschland die mexikanische Polizei im Drogenkrieg unterstützen. Aktuell liegt das Abkommen jedoch auf Eis. Das liegt unter anderem daran, dass noch immer nicht abschließend geklärt ist, wie Tausende deutsche Sturmgewehre der Firma Heckler & Koch zwischen 2006 und 2009 in die Hände krimineller Banden gelangen konnten. Inzwischen gilt es als wahrscheinlich, dass die Gewehre auch gegen die Studenten von Ayotzinapa zum Einsatz gekommen sind.
Peña Nietos Besuch ist der Auftakt eines bilateralen Partnerjahres. Geplant sind Ausstellungen und Konzerte, Industrie- und Tourismusmessen, wissenschaftliche Symposien und Treffen von Vertretern der Zivilgesellschaft. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird am 6. Juni in Mexiko erwartet.
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