Siebzig Minuten Ernst
ZDF: »Zweimal zweites Leben« mit Heike Makatsch als Koma-Patientin
Heike Makatsch hat’s auch nicht leicht. Als Quereinsteigerin ins Filmgeschäft nehmen Kritik und Publikum dem gelernten Girlie kaum eine Rolle vorurteilsfrei ab. Lächelt sie zu viel (und das tut sie oft), unterstellt man ihr mangelnden Tiefgang. Lächelt sie zu wenig (was dann umso mehr auffällt), gilt es als verkrampfter Kampf um Anerkennung. In »Zweimal zweites Leben« macht es die Schauspielerin dagegen allen Recht, wenn sie geschlagene 70 Minuten nicht ein Mal frohgemut dreinblickt.
Arme Heike, denn in gut einer Stunde des ZDF-Dramas zeigt Makatsch, was bislang allenfalls im famosen Konzertfilm »Keine Lieder über Liebe« oder ihrer Rolle als Hildegard Knef zu spüren war, von Emanzipationsopern wie »Margarete Steiff« oder »Dr. Hope« aber nachhaltig verseift wird: Talent, Timing, pathosfreie Empathie. Die von ihr gespielte Ännie, die mit ihrem Gatten Leo (Benno Führmann) eine Bilderbuchehe führt, fällt ins Koma, das sie von da an zwei Drittel des Films nicht mehr verlässt. Bis auf ein paar Reflexe regungslos liegt sie kurzgeschoren und aschfahl im Krankenhaus, während Mann und Tochter aufopferungsvoll kämpfen - um die Gesundung der Frau und Mutter. Aber auch gegen deren stinkreiche Eltern, die ihr Kind mangels Genesungsaussicht in ein Pflegeheim abschieben wollen.
Es ist eine tragische, von brüchigem Optimismus geprägte Geschichte, die an emotionaler Dynamik sogar noch zulegt, als Esther (Jessica Schwarz) auftritt, deren Mann ein Klinikbett weiter Ännies Schicksal teilt. Denn wie es Melodramen auf dem Pilcher-Platz zwingend vorschreiben, kommen sich die Hinterbliebenen in spe zwischen Trotz und Trauer bald näher. Was parallel zu »Polizeiruf« oder »Tatort« normalerweise den Geigenteppich bestiege, um über ein paar Umwege Richtung Happy End zu fliegen, nimmt allerdings hier eine Wendung, die viel, sehr viel mit Heike Makatsch zu tun hat.
Denn deren Figur erwacht ausgerechnet am Morgen nach Leos erster Nacht mit Esther und begibt sich fortan völlig unverhofft auf einen langen Weg der Besserung, der allen Beteiligten alles abverlangt. Schließlich hat sie während der monatelangen Bewusstlosigkeit zwar Gedächtnis, Sprache, Körperbeherrschung und Wesenszüge verloren, nicht aber den angeborenen Starrsinn. Und wie besonders die ungelernte Schauspielerin aus Düsseldorf dabei agiert, wie ihre Ännie ein abrupt zerbrochenes Leben aus dem Bauch heraus Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr rekonstruiert, wie sie physisch, seelisch, stimmlich vor allem die Balance zwischen altem und neuen Dasein sucht - das ist nicht gerade einen Grimmepreis, aber aller Ehren wert.
Gewiss, die dauernde Reinhard-Mey-Gedächtnis-Gitarre über Szenen der Zuversicht, gepaart mit dunklem Piano, wenn die mal zu versiegen droht, ist Zeit und Ort der Ausstrahlung geschuldet, Sonntagabend zur Hautsendezeit im ZDF - aber gut: wer in Konkurrenz zum Sonntagskrimi im Ersten antritt, muss Kompromisse eingehen. Die jedoch hat Autor Bernd Lange fürs Regie-Duo (das nach einem Produktionsstreit unterm Pseudonym Elaine und Alan Smithee firmiert) auf ein erträgliches Minimum reduziert. Und er gibt Heike Makatsch im reifen Filmstaralter von 44 somit die Chance, zu zeigen, was in ihr steckt. Gelächelt wird zum Schluss ja auch wieder. Schön sieht sie dabei aus.
ZDF, 17.4., 20.15 Uhr
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