Die erdrückte Opposition
LINKE scheitert mit Klage auf mehr Kontrollrechte in Karlsruhe
LINKE und Grüne haben es in dieser Legislaturperiode gegen die übermächtige Koalition aus Union und SPD nicht leicht. Eigentlich sind die beiden Oppositionsfraktionen zu klein, um die Regierung effektiv kontrollieren zu können. Sie stellen nur etwa 20 Prozent der Bundestagsabgeordneten. Das Grundgesetz verlangt für wichtige Oppositionsrechte aber mindestens ein Viertel der Parlamentarier. Damit LINKE und Grüne immerhin Untersuchungsausschüsse und Anhörungen durchsetzen sowie vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Gesetzesvorschläge der EU-Kommission klagen können, hatte der Bundestag im April 2014 seine Geschäftsordnung für die aktuelle Legislaturperiode geändert.
Der Linksfraktion erschienen diese Änderungen allerdings unzureichend. Sie zog vor das Bundesverfassungsgericht, um zu erreichen, dass Oppositionsfraktionen auch unabhängig von ihrer Stärke Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht per Normenkontrollklage überprüfen lassen können. Dieses Recht wollten Union und SPD der Miniopposition nicht zugestehen. Das Normenkontrollrecht soll dafür sorgen, dass Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit geltendem Recht geprüft werden. Zudem wollte die Linksfraktion die Oppositionsrechte im Grundgesetz verankern lassen.
Nun ist diese Klage am Dienstag weitgehend gescheitert. Bei der Urteilsverkündung betonte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, dass die Opposition bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein dürfe. Gegen die Einführung von spezifischen Oppositionsfraktionsrechten spreche aber die im Grundgesetz verankerte Freiheit und Gleichheit aller Abgeordneten. Voßkuhle wies darauf hin, dass auch Abgeordnete aus den Koalitionsfraktionen opponieren könnten. Somit seien die parlamentarischen Minderheitenrechte nicht auf die Opposition beschränkt, sondern sie stünden allen Abgeordneten zu. Deswegen gebe es neutrale Quoren, die sich nicht nur auf die Opposition beziehen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter ist auch eine für alle Abgeordneten geltende neutrale Absenkung der Quoren nicht möglich. Gegen eine solche Interpretation des Grundgesetzes spreche dessen eindeutiger Wortlaut.
Gregor Gysi, der als damaliger Fraktionschef der LINKEN die Klage eingereicht und vertreten hat, sah in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch positive Aspekte. Die Rechte auf effektive Opposition seien in einem Umfang dargestellt worden, wie es bisher höchstrichterlich noch nicht geschehen sei. »Am wichtigsten erscheint, dass das Urteil so zu verstehen ist, dass die Grundgesetzwidrigkeit eines Gesetzes auch im Organstreitverfahren von einer Fraktion geltend gemacht werden kann«, erklärte Gysi. Damit habe das Verfassungsgericht einen anderen Weg als die Normenkontrollklage aufgezeigt, um auch bei einer kleineren Opposition effektiv dieses Kontrollrecht zu ermöglichen. »Wir brauchen nicht das Normenkontrollverfahren, von dem wir faktisch ausgeschlossen sind«, sagte Gysi.
Bundestagspräsident Norbert Lammert sah sich aufgrund des Urteils in seinem Umgang mit den Rechten der Opposition bestätigt. Er habe dafür geworben, dass es keine Änderungen der Verfassung und gesetzlichen Bestimmungen geben sollte, »weil man auch und gerade Minderheitenrechte nicht je nach Wahlergebnis modifizieren darf«, erklärte der CDU-Politiker.
Auch in der nächsten Legislaturperiode könnte sich eine effektive parlamentarische Kontrolle der Regierung schwierig gestalten. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Union und SPD ihre Zusammenarbeit nach der Wahl 2017 fortsetzen werden. Für die Demokratie wäre dies kein guter Zustand. Das liegt zum einen daran, dass Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien kaum noch sichtbar sind. Hinzu kommt, dass Schwarz-Rot die Anliegen der kleinen Opposition offensichtlich oft nicht ernst nimmt. Vor der Verkündung des Karlsruher Urteils beklagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, dass es kennzeichnend für diese Große Koalition sei, »wie arrogant sie mit dem Parlament umgeht, wie schlecht sie parlamentarische Anfragen oder mündliche Fragen beantwortet«. Die Folge seien mehr Untersuchungsausschüsse als üblich.
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