Ein Brummkreisel in der Ostsee
Die Kraft des Meeres soll künftig besser zur Energiegewinnung genutzt werden - auch mit Maschinen aus Mecklenburg-Vorpommern
Strom wird auf dem Meer bislang vorrangig über große Off-Shore-Windparks erzeugt, doch neben dem Wind gibt es mit der Wellenenergie noch eine weitere Energieform. Das Potenzial der Energienutzung aus Wellenkraft sei riesig, aber bislang noch weitgehend ungenutzt, kritisiert der Ingenieur Andreas Pörsch, Chef des Anlagenbauers HAB Wusterhusen (Vorpommern-Greifswald) die Zurückhaltung und will das ändern. Seit Sommer 2015 testen die Ingenieure in einer Versuchsanlage auf dem Betriebsgelände eine neuartige Form von Wellenkraftwerk.
Der Anlagenbauer hat zusammen mit dem Zinnowitzer Tauchgondel-Ingenieur Andreas Wulff die Energieboje CX2 entworfen. Die Konstruktion ist inzwischen zum Patent angemeldet. Voraussichtlich im Sommer soll ein Prototyp der Energieboje in der Ostsee vor Nienhagen seinen Härtetest antreten. Bundes- und Landeswirtschaftsministerium unterstützten die Forschungen mit 400 000 Euro. Das Prinzip von Meereswellenkraftwerken besteht darin, die Bewegungsenergie der Wellen in elektrische Energie umzuwandeln. Das Energiepotenzial der Meereswellenenergie wird unterschiedlichen Angaben zufolge weltweit auf 8000 bis 80 000 Terawattstunden (TWh) geschätzt, der weltweite jährliche Strombedarf beträgt 20 000 TWh, berichtet der Berliner Ingenieur Gerhard Brandl. Zum Vergleich: Ein Terawatt entspricht einer Million Megawatt. Vor der südafrikanischen Küste wird die Leistung auf 50 Kilowatt pro Meter Welle geschätzt, vor Schottland auf 25 bis 30 Kilowatt. In der Ostsee sind aufgrund der niedrigeren Wellenhöhen die Werte deutlich niedriger.
Bislang hinkt Deutschland bei der Entwicklung von Wellenkraftwerken hinterher. Führend in der Technologie sind nach Angaben des European Marine Energy Centres (EMCE) Großbritannien, die USA und Spanien. Inzwischen wurden Versuchsanlagen verschiedener Funktionsprinzipien installiert - von beweglichen, an Seeschlangen erinnernden Pelamis-Systemen bis zu am Boden verankerten Schwimmkörpern - Point Absorber Systems -, die sich mit den Wellen auf und ab bewegen. Dennoch gilt als größtes Problem die Störanfälligkeit der Technologie aufgrund der enormen Belastungen durch Sturm und Wellen.
Auch das Unternehmen HAB und Ingenieur Wulff haben bereits Erfahrungen in puncto Störanfälligkeit gesammelt. Im Jahr 2012 installierten sie in der Pommerschen Bucht vor Usedom einen eigens entwickelten Meereswellengenerator. Nach ungefähr sechs Monaten Testbetrieb versagte bei Eisgang der Drehkranz der Anlage, so dass der obere Teil abbrach, wie Pörsch berichtet. Dennoch blieben die Entwickler an der Idee eines Meereswellenkraftwerks dran. »Wir haben aus den Erfahrungen gelernt und eine Anlage mit einfacherer Technologie und robusteren Bauteilen entwickelt.«
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Beim Realtest vor Nienhagen soll ein flacher, auf dem Wasser schwimmender und im Durchmesser fünf Meter großer Bojenkörper aus Kunststoff für das Auf und Ab des Triebstocks sorgen. Ein ebenfalls von HAB entwickelter Sauganker werde die Anlage fest mit dem Meeresgrund verbinden. Die Leistung der Testanlage ist mit 10 kW noch vergleichsweise gering. Doch mit einem späteren Bojenteppich von zehn 50-Kilowatt-Anlagen lässt sich auf einer Fläche von knapp 4000 Quadratmetern die Leistung auf 500 Kilowatt steigern.
Die vorpommerschen Entwickler sind überzeugt, dass sich das Konzept von Meereswellenkraftwerken durchsetzen wird. Gerade präsentierten sie ihre Energieboje CX2 auf der Oceanology International - einer Fachmasse in London. »Gegenüber der Off-Shore-Windkraft hat die Meereswellenenergie verschiedene Vorteile«, sagt Pörsch. Neben den geringeren Baukosten und damit zusammenhängend dem niedrigeren Kapitalrisiko hätten Meereswellenkraftwerke einen deutlich geringeren Flächenverbrauch. Zudem könne mit Verankerungssystemen wie dem Sauganker auf Rammarbeiten verzichtet werden, die für Meeressäuger eine Belastung darstellen. dpa/nd
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