Kims duale Strategie

Bessere Wirtschaft und mehr Atomwaffen

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sorge bei den Nachbarn war groß, der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un könnte den ersten Kongress seiner Arbeiterpartei seit 36 Jahren für eine erneute Demonstration vermeintlicher Stärke nutzen. Die südkoreanische Zeitung »Dong-a Ilbo« wusste zu berichten, dass ein weiterer, der dann fünfte Atomtest unmittelbar bevorstehe. Er fiel aus. Zumindest wurde BBC-Reporter Rupert Wingfield-Hayes wegen unerwünschter Berichterstattung festgesetzt und nach einem stundenlangen Verhör des Landes verwiesen. Und Pjöngjang bekräftigte den Willen zum Ausbau seiner nuklearen Arsenale. Die Atomstreitmacht des Landes, so der Parteitag, solle »in Qualität und Quantität« gestärkt werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Montag berichtete.

Das Gremium folgte damit wenig überraschend dem ersten Mann im Staate. Parteivorsitzender Kim Jong Un hatte zuvor in einer Grundsatzrede die »strategische Line« bekräftigt, »den wirtschaftlichen Aufbau und die Schaffung einer Atomstreitmacht voranzutreiben«. Diese propagierte duale Entwicklung, die im neuen Fünfjahrplan ökonomisch vor allem auf die Verbesserung der schlechten Stromversorgung und eine existenziell notwendige Produktionssteigerung in Landwirtschaft und Leichtindustrie orientiert, wird in Pjöngjang als Byongjin-Politik bezeichnet. Zugleich beschloss der Parteitag die von Kim Jong Un vorgegebene Nukleardoktrin, Kernwaffen nur dann einzusetzen, wenn die Souveränität des Landes durch andere Atomwaffenstaaten bedroht werde. Das ist eine deutliche Veränderung der Tonlage, hatte man doch zuletzt mit atomaren Erstschlägen gegen die USA oder Südkorea gedroht.

Das Zentralkomitee legte bereits 2013 fest, dass der Besitz von Kernwaffen gesetzlich verankert werden müsse. In seiner Verfassung bezeichnet sich das Land nunmehr als »Atommacht« - was Südkorea, wie die Regierung in Seoul ihrerseits am Wochenende bekräftigte, nicht anerkennen werde. Pjöngjang argumentiert, es brauche die Atomwaffen, um sich gegen Bedrohungen durch die USA zu schützen. Zuletzt sorgten die jährlichen Frühjahrsmanöver in Südkorea unter Teilnahme von 17 000 US-Soldaten - so viele wie noch nie - für massiven Unmut.

Das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI geht davon aus, dass Pjöngjang inzwischen über sechs bis acht nukleare Sprengköpfe verfügt. Mehrere Raketentests zeigen, dass zudem zielstrebig an den notwendigen Trägersystemen gearbeitet wird. Die bisherigen Atomtests haben zu scharfen Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat und Washington geführt. Gleichzeitig aber verweigern eine Reihe von Staaten nach wie vor die Ratifizierung des Atomteststoppvertrages, dem sich nicht nur Nordkorea verweigert, sondern auch China, Indien, Pakistan, Israel, Iran, Ägypten - und die USA. Die Vereinten Nationen drängten nachdrücklich auf einen weltweiten und vertraglich gesicherten Verzicht auf Atomtests, so UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Ohne kann auch die vor 20 Jahren vereinbarte UN-Behörde zur Überwachung des internationalen Kernwaffenteststopp-Abkommens (CTBTO) ihre Arbeit nicht offiziell aufnehmen.

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