Werbung

Lammert und Schulz rügen Erdogan nach Drohungen

Scharfe Kritik an türkischem Staatsoberhaupt aus Bundestag und Europäischen Parlament/ Türkische Regierung bereitet Klagen gegen deutsche Abgeordnete vor

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan für dessen Äußerungen nach der Armenien-Resolution im Bundestag kritisiert. »Die Verdächtigung von Mitgliedern dieses Parlaments als Sprachrohr von Terroristen weise ich in aller Form zurück«, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Donnerstag unter großem Applaus aller Fraktionen. »Ich bekräftige unsere selbstverständliche Solidarität mit allen Kolleginnen und Kollegen, die im Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit bedroht und unter Druck gesetzt werden«.

Nach diesen klaren Worten zog die LINKE ihren Antrag auf eine aktuelle Stunde zu diesem Thema zurück. Die Erklärung Lammerts sei »stark und treffend« gewesen, sagte Linken-Fraktionssprecher Michael Schlick am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. »Das reicht.«
Erdogan hatte einige Bundestagsabgeordnete türkischer Abstammung als »verlängerten Arm« der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bezeichnet, nachdem der Bundestag vergangene Woche in einer Resolution die Tötung von 1,5 Millionen Armenien im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord eingestuft hatte.

Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, kritisierte die Drohungen Erdogans scharf und schickte nach Angaben von »Spiegel Online« am Donnerstag einen Brandbrief an das türkische Staatsoberhaupt. »Parlamentarier, die sich im Rahmen ihres Mandats positionieren, dürfen unbeschadet etwaiger Meinungsverschiedenheiten in einer politischen Frage keinesfalls in die Nähe von Terroristen gerückt werden«, mahnt Schulz, »Ein solches Vorgehen stellt einen absoluten Tabubruch dar, den ich aufs Schärfste verurteile.«

Der türkische Staatschef hatte nach Verabschiedung der Armenien-Resolution auch die türkische Herkunft einiger deutscher Abgeordneter in Zweifel gezogen und Bluttests gefordert.

»Mit großer Sorge habe ich die Berichte zur Kenntnis genommen, dass Sie frei gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags für Ihr Abstimmungsverhalten verbal scharf angegriffen und mit Vorwürfen konfrontiert haben«, schreibt Schulz laut »spiegel Online«. »Als Präsident eines multinationalen, multiethnischen und multireligiösen Parlaments gestatten Sie mir folgenden Hinweis: die freie Mandatsausübung von Abgeordneten ist ein entscheidender Grundpfeiler unserer europäischen Demokratien.« Viele der von Erdogan angegriffenen Abgeordneten seien langjährige Kollegen. Schulz fühle sich verpflichtet, »diese Kolleginnen und Kollegen, wo es mir möglich ist, zu schützen.«

LINKE fordert Aussetzung der Beitrittsverhandlungen

Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, fordert die sofortige Aussetzung der Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei und bezeichnete die jüngsten Drohungen türkischer Minister als »faschistoide Parolen«. Die LINKE stehe solidarisch an der Seite der kurdischen HDP. »Das bisher von Kanzlerin Merkel an den Tag gelegte Verhalten gegenüber dem Despoten Erdogan ist auch ein Schlag ins Gesicht aller freiheits- und friedensliebenden Menschen in der Türkei«, so Dagdelen.

Unterdessen kündigte die Türkei am Donnerstag weitere Maßnahmen gegen deutsche Abgeordnete mit türkischem Hintergrund an: Es würden Klagen gegen Abgeordnete des Deutschen Bundestags vorbereitet, meldete »Spiegel Online«. ek

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.