Mein Hongkonger »Café Einstein«

Biolumne

  • Reinhard Renneberg, Hongkong
  • Lesedauer: 3 Min.

Das teetrinkende China - ein Kaffeeland der Zukunft? Als Produzent war China bei der Welternährungsorganisation FAO und bei der International Coffee Organization (ICO) 2013 noch unter Sonstige gelistet. Die Nr. 1 mit 43 Millionen Sack Kaffee (à 60 kg) ist mit weitem Abstand Brasilien, Nr. 2 (dank DDR-Entwicklungshilfe und Klima) Chinas Nachbar Vietnam mit 27,5 Millionen Sack, dann kommen Kolumbien und Indonesien.

Produktion und Verbrauch von Kaffee in China haben nach Angaben der Hongkonger Tageszeitung »South China Morning Post« seit Jahren zweistellige Wachstumsraten erreicht. 2014 produzierte hauptsächlich die südliche Provinz Yunnan - bisher berühmt für ihren Tee - zwei Millionen Säcke Arabica-Kaffeebohnen. Die auch in Vietnam hauptsächlich produzierte Sorte Robusta wird auf der Insel Hainan angebaut. Die Produktion stillt allerdings nicht den noch schneller gewachsenen Kaffeedurst der Chinesen.

Der Biolumnist gesteht - nicht zum ersten Mal - seine Kaffeeleidenschaft und erinnert an Bachs Kaffeekantate: »Ach was schmeckt der Kaffee süße, süßer noch als Tausend Küsse …«

Und da ist ja nicht nur der Geschmack. Ähnlich dem grünen und weißen Tee werden auch dem Kaffee inzwischen vielerlei positive Wirkungen nachgesagt. Was soll er nicht alles bewirken aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zum Adenosin: Parkinson-Risiko senken, Gedächtnis verbessern, gegen Herzinfarkte schützen, Leber- und Darmkrebsrisiken senken, schlank machen. Andererseits droht Kaffee aber auch mit Schlaflosigkeit, Bluthochdruck …

An meiner Uni konkurrieren zwei Coffee-Shops: Der heimische »Pacific Coffee« mit dem schicken, aber teuren US-»Starbucks«. Wie langjährige Biolumnen-Leser sicher ahnen, zieht mich nichts zu den Yankees …

Wir kamen also mit dem Biolumnen-Cartoonisten Ming Fai Chow vor drei Jahren auf die Idee, im »Pacific Coffee« Wissenschaftsposter aufzuhängen, alle zwei bis drei Monate ein neues. Zum Beispiel wird Louis Pasteur dargestellt, der gesagt hat: »Das Glück bevorzugt den vorbereiteten Geist«, oder DNA-Papst Jim Watson, bewusst zweideutig: »Avoid boring people« (Geh› langweiligen Leuten aus dem Weg). Inzwischen blickt nach Marie Curie, Karl Marx (auch der!), Charles Darwin, Victor Hugo, Carl Djerassi und etlichen anderen berühmten Wissenschaftlern Emmanuelle Charpentier - kürzlich zu Gast an meiner Uni - von der Hongkonger Kaffeehauswand.

Als Ostberliner war ich vom »Café Einstein« beeindruckt, schrieb denen in der Heimat eine nette Anfrage, und als (typisch Berlin!) keine Antwort kam, schlug ich als tatendurstiger Senator meiner lieben Uni vor: »Ein Hongkonger Café Einstein für Asiens No. 1 Uni«! Die Abstimmung im Senat scheiterte dann knapp mit 25 gegen 24 Stimmen. Die Antragsgegner führten die verschiedensten Argumente ins Feld: Warum keinen chinesischen Namen? Und: War Einstein wirklich Kaffeetrinker?

Die finanziell gut ausgestattete und etwas ignorante Business School erinnerte daran, dass die Hochschule eine kleine Spende des namentlich Geehrten für die Uni erwartet. Großes Gelächter im Senat. Doch tatsächlich muss man viel Geld berappen, wenn man hier einen Hörsaal nach sich benennen lassen will.

Als »dienstältester deutscher Professor in Asien« verfiel ich auf eine typisch asiatische List: Ich stellte mich ganz dumm und wir fertigten mit Ming ein Wissenschaftsposter. Pseudowissenschaftlich verbrämt (»Theorie des Wärme-Flusses«) steht da nun groß: »CAFÉ EINSTEIN«!

Und: Es hängt nun bereits seit drei Jahren ungestört ohne Genehmigung und man trifft sich nun im »Einstein‹s«. Deutsch-chinesische Kriegslist geglückt!

Das ist »die Macht des Faktischen«, wie es der deutsch-österreichische Staatsrechtler Georg Jellinek (1851-1911) nannte.

Nun brauche ich erstmal einen Mocca … natürlich im »Einstein›s« und ich summe dabei die Arie der Liesgen in Meister Johann Sebastians Kaffeekantate vor mich hin.

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