Polizei: Französischer Geiselnehmer bekannte sich zum IS
Täter war wegen Anschlagsplanungen vorbestraft / Pariser Innenminister: Polizistenmord ist »abstoßender Terrorakt« / Anti-Terror-Ermittler nehmen nach blutigem Ende der Geiselnahme die Arbeit auf
Magnanville. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hat den tödlichen Angriff auf eine Polizistenfamilie als »abstoßenden Terrorakt« bezeichnet. Zum Stand der Ermittlungen äußerte er sich am Dienstagmorgen nach einem Treffen mit Präsident François Hollande im Élyséepalast nicht. Cazeneuve verwies auf die Pariser Staatsanwaltschaft. An der kurzfristig angesetzten Sitzung nahmen auch Premierminister Manuel Valls und Justizminister Jean-Jacques Urvoas teil.
Cazeneuve betonte erneut die hohe Terrorgefahr in Frankreich, Europa und dem Westen insgesamt. Seit Jahresanfang hätten französische Anti-Terror-Ermittler mehr als 100 Verdächtige festgenommen. Der Minister wollte sich am Vormittag in die Kommissariate von Les Moreaux und Mantes-la-Jolie begeben, wo die beiden getöteten Beamten gearbeitet hatten.
Der Attentäter war wegen Anschlagsplanungen vorbestraft. Der 25-Jährige sei 2013 wegen Zugehörigkeit zu einem Ableger einer französisch-pakistanischen Dschihad-Gruppe verurteilt worden, verlautete am Dienstagmorgen aus französischen Ermittlerkreisen. Er stand demnach mit sieben anderen Verdächtigen vor Gericht und erhielt eine dreijährige Haftstrafe, von denen sechs Monate auf Bewährung ausgesetzt waren. Der Vorwurf lautete damals, er habe mit der Gruppe »Terroranschläge vorbereiten« wollen.
Während seines Angriffs verschickte er ein Video und zwei Tweets mit Forderungen beziehungsweise Bekenntnissen via Twitter. Ein zwölf Minuten langes Video habe er an etwa 100 Kontakte geschickt, sagte Staatsanwalt François Molins am Dienstag in Paris. Zum Inhalt äußerte sich Molins nicht näher. Seinen Angaben zufolge wurden bei dem mutmaßlichen Terroristen drei Messer gefunden.
Der Täter hatte am Montag im Pariser Vorort Magnanville zunächst einen 42-jährigen Polizisten erstochen, wobei er nach Zeugenberichten »Allahu akbar« (arabisch für: Gott ist groß) gerufen haben soll. Danach nahm er Frau und Kind des Polizisten als Geisel und verschanzte sich in deren Wohnung. Sondereinheiten der Polizei stürmten die Wohnung und töteten dabei den Geiselnehmer, wie das Innenministerium mitteilte.
Die Frau des getöteten Polizisten, die als Beamtin für das Innenministerium gearbeitet hatte, sei tot aufgefunden worden, sagte ein Ministeriumssprecher. Der dreijährige Sohn des Paars sei in der Wohnung »unter Schock, aber äußerlich unverletzt« gefunden und in Sicherheit gebracht worden. Die Verhandlungen mit dem Täter hätten kein Ergebnis gebracht, weswegen der Befehl zur Erstürmung des Hauses gegeben worden sei, sagte der Sprecher.
Der Staatsanwaltschaft liegen nach Angaben aus Justizkreisen Anhaltspunkte für eine radikalislamische Motivation des Täters vor. Dafür sprächen »das Vorgehen, das Ziel der Tat und Äußerungen, die er in den Verhandlungen mit der Spezialeinheit gemacht hat«, hieß es bei der Justiz. Angaben zur Identität des Täters lagen zunächst nicht vor. In Frankreich gilt wegen der derzeitigen Fußball-EM eine erhöhte Terrorwarnstufe.
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bezeichnete die Geiselnahme als Tat eines ihrer Aktivisten. Die auf die Auswertung islamistischer Nachrichtenseiten im Internet spezialisierte SITE-Gruppe aus den USA zitierte in der Nacht eine Meldung der Nachrichtenagentur Amaq: »Kämpfer des Islamischen Staats tötet Vizechef der Polizeistation von Les Mureaux und seine Frau mit Stichwaffen nahe Paris.«
Amaq gilt als Sprachrohr des IS. Belege für eine Verbindung des Täters zum IS legte Amaq nicht vor. Über die Agentur hatte sich die Miliz bereits zu dem Anschlag auf einen Nachtclub im US-Bundesstaat Florida in der Nacht zu Sonntag bekannt.
Präsident Hollande sprach von einem »abscheulichen Drama«, dessen genaue Hintergründe noch geklärt würden. »Es wird vollständige Aufklärung geben«, hieß es in einer Erklärung. Agenturen/nd
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