Ja, die Chinesen

Biolumne über die nützliche Funktion von Vitamin A und Folgen eines Mangels

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Weise Chinesen empfahlen schon vor 3500 Jahren Leber als Heilmittel bei Nachtblindheit. Natürlich wussten sie nichts von dem dort gespeicherten Vitamin A. Dennoch waren sie unbewusst auf eine seiner wichtigen Funktionen gestoßen: als Sehpigment im Auge Lichtquanten einzufangen.

Diese Ahnung stammt nicht zufällig aus dem alten China. Dort wurde Reis, der kein Vitamin A liefert, bereits vor 8000 Jahren domestiziert. Vermutlich war er vielerorts Hauptnahrungsmittel und Vitamin-A-Mangel damit häufig.

Erstes Symptom des Mangels ist Nachtblindheit, über längere Zeit führt er zur Erblindung. Zwar betrifft beides das Sehen, dennoch sind ganz unterschiedliche Prozesse gestört. Bei Nachtblindheit fehlt das Vitamin unmittelbar als Sehpigment, das kann geheilt werden. Bei Erblindung führt das Fehlen des Vitamins zu Störungen beim Ablesen der Gene (Genexpression).

Vitamin A bindet in vielen Zellen an einen Rezeptor. So kann es sich im Zellkern an bestimmte DNA-Abschnitte anlagern. Das schaltet Gene an oder ab und regelt dadurch die Proteinproduktion. Viele Prozesse werden auf diese Weise gesteuert, darunter Wachstum und Funktionstüchtigkeit von Haut und Schleimhäuten.

Dass die Augen verhornen und ihre Lichtdurchlässigkeit verlieren, ist nur eine der gravierenden Folgen des Mangels, die nicht kuriert werden können.

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation erblinden dadurch jährlich bis zu 500 000 Kinder, die meisten von ihnen sterben. Da Vitamin-A-Kapseln nicht überall verfügbar sind, versucht das Projekt »Goldener Reis« die Versorgung mit Vitamin A in Mangelgebieten anders zu verbessern. Was der Züchtung versagt blieb, ist gentechnisch gelungen: Es wurde ein Reis erzeugt, der die pflanzliche Vorstufe von Vitamin A bildet: das Beta-Carotin.

Dazu wurden Maisgene genutzt. Der Hersteller Syngenta will das vor Ort vermehrbare Saatgut in Entwicklungsländern unentgeltlich zur Verfügung stellen. Eine sichere Sache. Sogar der Papst hat dem goldenen Reis seinen Segen gegeben! Doch Gentechnik-Gegner wie Greenpeace verzögern die Nutzung. Ihr Einwand: Der Konzern bleibt Herr der Reisproduktion und andere Folgen von Mangelernährung werden durch den Gentech-Reis gar nicht erst angegangen.

In Deutschland ist die Deckung des Vitamin-A-Bedarfs kein Problem. Ob Leber, Milch oder Eier, ob gelbrotes oder dunkelgrünes Gemüse - uns bieten sich viele Quellen. Pflanzen liefern stets nur das Provitamin. Das kann auch nicht überdosiert werden. Denn nur wenn benötigt, wird es im Darm in Vitamin A umgewandelt.

Anders beim »fertigen« Vitamin A aus tierischer Kost. Das wird in unserer Leber gespeichert. Wird deren Kapazität überschritten, dann lässt auch das die Genexpression entgleisen. Doch das kann eigentlich nur bei zu häufigem Lebergenuss geschehen. Schwangere sollten Leber aus ihrem Speiseplan streichen. Eisbärenleber enthält so viel Vitamin A, dass sie giftig ist. Inuit verzehren sie deshalb auch nicht. Sie handeln damit ebenso weise wie die alten Chinesen.

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