Üben für den Ernstfall
In Österreich fand die Roboterleistungsschau »Elrob« statt. Die getesteten Geräte sind zivil und militärisch nutzbar. Von Hans-Arthur Marsiske
Die Szene war kinoreif: Hinter dichtem Gebüsch waren schnarrende Geräusche zu hören, die langsam lauter wurden. Zweige zuckten wild hin und her, zwei dünne Bäume neigten sich. Dann brach das Ungetüm durchs Laub, auf zwei elektrisch betriebenen Antriebsketten und mit hoch erhobenem Metallarm, um mit der dort befestigten Kamera einen möglichst guten Überblick zu bekommen.
Es war aber keine futuristische Kampfmaschine, die da das Gelände auf dem Katastrophenübungsplatz des Österreichischen Bundesheeres erkundete, sondern tEODor, ein 360 Kilogramm schwerer ferngesteuerter Roboter, den die Bundeswehr zur Untersuchung und Entschärfung möglicher Sprengfallen einsetzt. In Österreich erwartete ihn indessen eine ungewohnte Aufgabe: Im Rahmen der Roboterleistungsschau Elrob (European Land Robot Trial) sollte getestet werden, inwieweit Geräte wie dieses auch zur Bergung verletzter Personen eingesetzt werden können. Hierfür war eine 75 kg schwere lebensgroße Puppe im Gelände abgelegt worden. Im ersten Durchgang hatte der Operator die Puppe mithilfe des Roboters relativ schnell gefunden und sie an der Uniform sicher greifen und anheben können, sodass der Kopf beim Transport den Antriebsketten nicht zu nahe kam. Die zweite Puppe jedoch war im hohen Gras hinter einem Gebüsch deutlich schwerer zu erkennen.
Hervorgegangen ist die Elrob aus einem NATO-Workshop zu Militärrobotern im September 2004, der in einem »White Paper« Entwicklungsdefizite identifizierte und vorschlug, den Leistungsstand der Robotik im Rahmen eines Wettbewerbs genauer zu prüfen. Ursprünglich als einmalige Veranstaltung geplant, findet die Leistungsschau seit 2006 jährlich statt, abwechselnd mit militärischer und ziviler Ausrichtung. Das Besondere daran: Es werden realistische Aufgaben in realem Gelände gestellt, die Einsatzszenarien von Militär oder Rettungskräften entsprechen.
Bewaffnete Roboter spielen dabei keine Rolle. Vielmehr geht es um Aufklärungsmissionen bei Tag und Nacht, um Transportaufgaben sowie die Untersuchung von Sprengfallen. Letztere findet allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um potenziellen Bombenlegern keine Tipps zu geben. Die Bewachung von militärischen Stützpunkten wurde im Rahmen der Elrob ebenfalls getestet, aber nicht weiter verfolgt, weil sich zeigte, dass Roboter bei dieser Aufgabe noch viel zu leicht zu überlisten sind.
Deutlich dichter an der Einsatzreife ist das automatische Fahren im Konvoi. Insbesondere die Teams »MuCAR« von der Universität der Bundeswehr in München und »Smart Military Vehicles«, geleitet von der Firma Diehl, fuhren mit beachtlichem Tempo über den etwa drei Kilometer langen Parcours auf ungepflasterten Wegen, wobei das hintere Fahrzeug dem Führungsfahrzeug autonom folgte. Ganz ohne manuelle Eingriffe der Sicherheitsfahrer ging das zwar nicht, dennoch kamen selbst die großen LKW des Diehl-Teams auch mit Bodenwellen, scharfen Kurven und Fußgängern, die todesmutig zwischen den beiden Fahrzeugen den Weg kreuzten, recht gut zurecht.
Satellitennavigation nutzen die Roboter dabei nur, um ungefähre Richtungen abzuspeichern, auf dem Fahrweg orientieren sie sich zusätzlich mithilfe von Laserscannern und Kameras. Die Einschätzung, welches Gelände befahrbar ist und welche Hindernisse vernachlässigbar sind, ist allerdings nach wie vor ein ungelöstes Problem und lässt immer wieder ein autonomes Fahrzeug harmlosen Grasbüscheln ausweichen. Dafür gebe es verschiedene Ansätze, sagt Thorsten Lüttel, Leiter des Teams MuCAR. So könne etwa die Lichtdurchlässigkeit bei Laub einen Hinweis darauf geben, ob das Fahrzeug eine Berührung damit riskieren kann oder nicht. Auch die Infrarotsignatur von Chlorophyll biete eine Orientierungshilfe. Allerdings erscheine reifes Getreide im Infrarotbereich des Spektrums so dunkel wie Asphalt, während helle Infrarotreflektionen gleichermaßen für harmloses Gras stehen könnten wie auch für einen Busch, der besser umfahren werden sollte. Letztlich wird autonomes Fahren im Gelände wohl nicht ohne Verfahren des Deep Learning auskommen, die es dem Fahrzeug ermöglichen, aus den Daten seiner verschiedenen Sensoren nach und nach eine Wissensbasis aufzubauen, auf die es sich stützen kann - ähnlich wie ein Mensch.
Vielfältig waren die Ansätze der teilnehmenden Teams beim Erkundungsszenario, bei dem ein Gebäude untersucht und erstmals eine reale radioaktive Strahlungsquelle (Kobalt-60) möglichst genau lokalisiert werden sollte. Der Roboter vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) etwa trug die gemessenen Strahlungswerte automatisch in eine Karte ein und passte dabei ständig die Farbkodierung an: Werte, die erst orange dargestellt worden waren, wurden gelb, sobald an einer Stelle ein höheres Strahlungsniveau festgestellt worden war. Der Operator des niederländischen Teams TNO steuerte einen tEODor mithilfe eines Datenhelms mit Kopfhörern und kleinen Bildschirmen direkt vor seinen Augen. Die 3D-Sicht vermittelten ihm das Gefühl, im Roboter zu stecken.
Am spektakulärsten war aber das ebenfalls erstmals durchgeführte Rettungsszenario, bei dem tEODor, gesteuert vom Operator Andreas Ciossek vom Hersteller Cobham, unfreiwillig für einen besonderen Höhepunkt sorgte: Die zweite Puppe hatte er schon sicher gegriffen und war auf dem Rückweg, übersah dabei aber eine durch dichtes Blätterwerk verborgene Bodenmulde, rutschte ab - und musste nun selbst mit einer Zugmaschine gerettet werden. Immerhin schien der Sturz dem Roboter nicht viel ausgemacht zu haben. In einem zweiten Versuch gelang Ciossek die Bergung zweier Puppen in der Rekordzeit von 13 Minuten.
Diese Möglichkeit eines zweiten Durchgangs war eine weitere Neuerung bei der diesjährigen Elrob, die von den teilnehmenden Teams ausgiebig genutzt wurde. »Das lässt die Lernkurve steil ansteigen«, sagte Ciossek begeistert.
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