Zikamücke im Winterschlaf
Vor Infektionskrankheiten im Urlaubsland schützen Informationen und Mückenspray
Es begann abends. Beim Aufschlagen der Bettdecke schmerzte lediglich der rechte Arm. Der Versuch, am anderen Morgen ins Bad zu gehen, war bereits eine Tortur. Die Nach hatte aus einem gesunden einen kranken Menschen gemacht. Seitdem vergeht kein Tag ohne Gliederschmerzen, die symptomatisch an rheumatische Erkrankungen erinnern.
Chikungunyafieber, so lautete die Diagnose. Mich hatte eine nur wenige Millimeter große Aedes albopictus, eine Asiatische Tigermücke, gestochen und mit dem Chikungunya-Virus infiziert. 2014 wurden in der Karibik sowie in Zentral- und Lateinamerika fast eine Million Erkrankungen registriert. Reisende, unter ihnen zahlreiche Deutsche, bringen sie von dort mit nach Europa. »Tropische Viruserkrankungen breiten sich zunehmend in Europa und Amerika aus«, beobachten Tropenmediziner des Centrums für Reisemedizin (CRM).
Bekannt ist die Virenerkrankung aus Afrika. Der Begriff Chikungunya stammt aus der Sprache der Makonde, das ist ein Bantuvolk in Mosambik. Das Wort bedeutet: der gekrümmt Gehende. Im deutschsprachigen Bereich hat sich unter Wissenschaftler der Name »Gebeugter Mann« durchgesetzt. Im Südostasiatischen Raum wurden zahlreiche Infektionsfälle bekannt. Wie das Chikungunya-Virus in die Karibik gekommen ist, haben die Epidemiologen noch nicht herausgefunden. Der erste Fall wurde im Herbst 2013 auf der niederländischen Karibikinsel Sint Maarten registriert. Seitdem ist Chikungunya in Lateinamerika und der Karibik endemisch.
Seit 2015 sorgt eine Anopheles-Stechmücke, die nicht nur Geldfieber überträgt, zusätzlich für Horror auf dem amerikanischen Kontinent. Sie überträgt auch den Zika-Virus. Bindehautentzündung, Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Fieber sind die Folgen dieser Infektion, unter der besonders im Olympialand Brasilien Tausende von Menschen leiden. Katastrophal für Schwangere: Der Virus verursacht Hirnfehlbildungen bei den Föten.
Dem Robert-Koch-Institut in Berlin, in dem Tropenkrankheiten registriert werden, sind seit dem Ausbruch von Zika »einige Dutzend Erkrankungen übermittelt worden«, von Deutschen, die sich bei Lateinamerika- und Karibikreisen infiziert hatten. In 50 Ländern wurden inzwischen Zika-Erkrankungen bekannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Februar 2016 sogar den »Öffentlichen Gesundheitsnotstand internationalen Ausmaßes« ausgerufen. Inzwischen gilt als erwiesen, dass Zika auch durch Sexualverkehr übertragbar ist. Erst seit Mai 2016 besteht in Deutschland die Registrierungspflicht.
Besonders die anstehenden Olympischen Spiele im brasilianischen Rio de Janeiro bereiten den Tropenmedizinern Kopfschmerzen. Denn für Zika existieren noch keine Impfstoffe, mit denen sich Schlachtenbummler und Ferienreisende immunisieren lassen könnten. Kein Grund allerdings die Olympischen Spiele abzusagen, wie verschiedene Wissenschaftler in einem offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert hatten. »Es ist nicht ersichtlich, dass der Reise- und Tourismusverkehr im Zusammenhang mit Olympia einen wesentlichen Einfluss auf die Erkrankungszahlen oder die weltweite Ausbreitung des Zika-Virus haben wird«, sagt der Berliner Tropenmediziner Professor Dr. Tomas Jelinek. Olympia finde im August und damit während des brasilianischen Winters statt. »In dieser Jahreszeit ist die Mücke, die das Virus überträgt, am wenigsten aktiv«, erläutert der Leiter des Berliner Centrums für Reise- und Tropenmedizin.
Durch Reiselust und verstärkte Mobilität lernen die Menschen nicht nur fremde Länder, Menschen und Kulturen kennen. Es erhöht sich für sie ebenfalls das Risiko, sich mit Krankheiten zu infizieren, die in Europa weitgehend unbekannt sind oder von der man geglaubt hatte, sie seien bereits »ausgerottet«. »Fernreisetourismus kann dazu führen, dass Krankheiten von einem Ende der Erde in einen anderen Teil verschleppt werden«, warnt Jelinek.
Internationaler Handel, Flüge und vor allem die Umweltverschmutzung und -erwärmung haben den Überträgern von Infektionskrankheiten zudem neue Ansiedlungsgebiete geboten. Die Tigermücke hat sich längst in Europa eingenistet. In Bayern wurde sie identifiziert, auch in der Stadt Aachen. »Südeuropa«, betont Jelinek, »wird vermehrt von Mücken besiedelt, die Überträger verschiedener Krankheiten sind.« So kommt es zu Dengue in Südfrankreich und Kroatien, Malaria in Griechenland.
Vireninfektionen oder Darmkrankheiten, das Gefahrpotenzial für Fernreisende ist nicht zu unterschätzen. Allerdings seien Pauschalurlauber weniger gefährdet als Rucksacktouristen, weil sie sich ausgiebig informieren und entsprechend schützen würden, heißt es im Robert-Koch-Institut. Aber europäischen Standards entsprechende Urlaubsresorts seien für Alles-Inklusive-Touristen nicht automatisch ein Schutzschild in Ländern, in den Epidemien grassieren. »Stechmücken machen vor Resortmauern nicht halt«, warnt Jelinek. »Guter Mückenschutz rechnet sich!«, fügt er hinzu. Jelinek plädiert auch für die Imprägnierung der Reisebekleidung.
Mir hat es wenig geholfen. Knapp zwei Jahre nach meiner Chikungunya-Infektion bekam ich auf dem Rückflug von Santo Domingo Fieber. Inzwischen habe ich die Diagnose erhalten: Zika.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!