HDP: Attentat richtete sich gezielt gegen Kurden
51 Tote, 69 Verletzte bei Anschlag auf Hochzeit im Südosten der Türkei / Viele Opfer HDP-Mitglieder / Kurdische Linkspartei entsetzt
Berlin. Bei einem Bombenanschlag auf eine Hochzeit in der südosttürkischen Millionenstadt Gaziantep sind mindestens 50 Menschen getötet und fast 100 verletzt worden. Auch am Morgen danach war weiter unklar, wer hinter der mutmaßlich von einem Selbstmordattentäter ausgelösten Explosion steht. Nach Angaben der linken Oppositionspartei HDP handelte es sich um eine kurdische Hochzeit, unter den Todesopfern seien mehrere Kinder. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu explodierte der Sprengsatz inmitten einer Hochzeitsgesellschaft, die auf offener Straße im Beybahce-Viertel von Gaziantep feierte. In dem Stadtviertel leben dem Vernehmen nach vor allem Kurden.
Nach Angaben von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wurde der Anschlag von einem Kind zwischen 12 und 14 Jahren verübt worden. Es habe sich um ein Selbstmordattentat gehandelt, sagt Erdogan nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu vom Sonntag. Die Zahl der Todesopfer sei auf 51 gestiegen. 69 Menschen seien verletzt worden, davon 17 schwer. In sozialen Medien kursierten Videos, die chaotische Szenen zeigten. Menschen schalteten die Taschenlampenfunktion ihres Smartphones ein und irrten auf der Suche nach verletzten Freunden und Angehörigen umher. Am Boden lagen viele blutende Menschen.
Viele Hochzeitsgäste Mitglieder der kurdischen Linkspartei
Die HDP, die drittgrößte Partei im türkischen Parlament, reagierte entsetzt. »Wir verurteilen und verdammen diejenigen, die diese Attacke verübt haben, und die Kräfte und Ideologien hinter ihrem Handeln«, hieß es in einer Stellungnahme. Es handele sich im einen gezielten Angriff auf Kurden mit der Absicht, einen Bürgerkrieg ausbrechen zu lassen. Wie der Türkeiexperte Ismail Küpeli zudem auf Twitter berichtet, gebe die HDP an, das Hochzeitspaar und viele der Gäste seien Mitglied der Linkspartei. Auf einer Trauerfeier sagte der Vorsitzende Selahattin Demirtaş: »Die beste Rache an diesen Barbaren ist es, dieses Land zum Frieden zu führen«.
Ein Abgeordneter der Regierungspartei AKP, Samil Tayyar, äußerte laut der Nachrichtenagentur Dogan die Vermutung, dass hinter dem Anschlag in Gaziantep am ehesten die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stecken dürfte, die jenseits der nahen Grenze in Syrien weite Gebiete beherrscht. Der IS hat sich bislang noch zu keinem der ihm zugeschriebenen Anschläge in der Türkei bekannt.
Erdogan erklärte, es gebe bei der terroristischen Bedrohung in der Türkei »keinen Unterschied« zwischen dem IS, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Gülen-Bewegung, die von der Regierung für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich gemacht wird.
Kurz nach dem Anschlag verhängte die Rundfunkbehörde ein teilweises Nachrichtenverbot, wie dies bei anderen Attentaten in der Vergangenheit auch schon der Fall gewesen war. Anadolu verbreitete indes eine Stellungnahme des autoritär agierende Staatspräsidenten Erdogan, wonach die Täter das türkische Volk zu »provozieren versuchen«, indem sie »ethnische und religiöse Empfindlichkeiten« für ihre Zwecke nutzten. Er mache dabei keinen Unterschied zwischen der kurdischen Untergrundorganisation PKK, der Bewegung des Islam-Predigers Fetullah Gülen und dem IS. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.