Autopilot mit Algorithmus und Moral

Ethikkommission der Bundesregierung entwirft Regeln für das Autonome Fahren

Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Auto. Direkt vor Ihnen rennt ein Kind auf die Straße. Sie haben drei Möglichkeiten: das Kind überfahren, das Auto links in den heranbrausenden Gegenverkehr steuern oder rechts einen Radfahrer überrollen - wie würden Sie sich entscheiden? Natürlich gibt es darauf nicht die grundsätzlich richtige Antwort, in der Realität wird es eine spontane Lenkreaktion je nach konkreter Situation geben. Völlig anders wird dies, wenn nach und nach der Autopilot die Kontrolle im Cockpit übernimmt. Dieser muss vom Hersteller entsprechend programmiert sein - doch nach welchen Regeln? Der Abgasskandal bei VW hat gezeigt, welch verheerende Folgen Softwareprogrammierung haben kann und wie schwer es für Behörden ist, Rechtsverstöße zu entdecken.

Mit dieser Problematik befasst sich eine von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einberufene Ethikkommission, die am Freitag in Berlin ihre Arbeit aufnahm. Unter Leitung des ehemaligen Verfassungsrichters Udo Di Fabio sollen Wissenschaftler aus den Fachrichtungen Ethik, Recht und Technik, Vertreter der Autoindustrie, aber auch Verbraucherverbandschef Klaus Müller, Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm, ADAC-Präsident August Markl und der Augsburger Weihbischof Anton Losinger »Leitlinien für die Programmierung automatisierter Fahrsysteme entwickeln«. Bis Sommer 2017 wird mit ersten Ergebnissen gerechnet.

Initiator Dobrindt hat indes schon klare Vorgaben dafür: »Sachschaden geht immer vor Personenschaden. Und es darf keine Klassifizierung von Personen geben, etwa nach Größe oder Alter«, sagte er vor der Kommissionssitzung. Allein mit solchen ethischen Fragen scheint sich die Kommission aber nicht zufrieden geben zu wollen. Leiter Di Fabio sagte, es sei auch die Grundsatzfrage zu klären, ob die Automatisierung so weit gehen solle, dass der Mensch nicht mehr eingreifen kann. Geklärt werden müsse zudem, wie man mit der Vernetzung von Daten umgehe. Die Technik basiert ja auf ständigem Informationstransfer aus dem Cockpit, was erhebliche datenschutzrechtliche Probleme aufwirft.

Dobrindt hat nie einen Hehl aus seinem klaren Ja für diese Technik gemacht. Die »größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Autos« sei das automatisierte Fahren, sie werde den Verkehr sicherer, effizienter und umweltschonender machen, so der Politiker aus dem Autoindustrieland Bayern. Was er nicht sagt: Das Verkehrsministerium möchte die deutschen Konzerne unterstützen, die bei dieser Technik gegenüber neuen Playern wie Google und Tesla ins Hintertreffen zu geraten drohen. Und so greift Dobrindt, lange bevor ethische Fragen beantwortet sind, unterstützend ein, indem Teststrecken gefördert oder rechtliche Steine für den Einsatz der Technik aus dem Wege geräumt werden. Am Donnerstagabend beschloss der Bundestag Änderungen am Verkehrsrecht, um den Einsatz der bereits in vielen Autos eingebauten Assistenzsysteme rechtssicher zu machen. Er wird grundsätzlich erlaubt, wenn der Fahrer die Systeme »übersteuern« oder abschalten kann.

Die beschlossenen Rechtsänderungen sind nur ein Baustein, das meiste ist ungeklärt. So arbeitet das Verkehrsministerium an einem Gesetzesentwurf, der fahrerloses Einparken erlauben soll, und möchte schnell Regeln für das Fahren mit Autopilot auf den Weg bringen. Hier gibt es aber offenbar Streit mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) über Haftungsfragen. Kommentar Seite 2

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