Szenen einer
 Schleswiger 
Problemehe

SPD-Dilemma: Wie weit muss die Abgrenzung zur AfD gehen?

  • Dieter Hanisch, Schleswig
  • Lesedauer: 3 Min.

Diese Ehe hätte wohl auch den schwedischen Film- und Theaterregisseur Ingmar Bergman (»Szenen einer Ehe«) in Neugier versetzt: Die »Hauptdarsteller« sind Kerstin und Frank Hansen aus Langballig, einer 1550-Einwohner-Gemeinde im Kreis Schleswig-Flensburg. Sie ist Funktionsträgerin in der SPD, er ist AfD-Kreisvorsitzender und will für seine Partei nächstes Jahr in den Kieler Landtag einziehen.

Besonders bei den Sozialdemokraten löst das Befremden aus, auch wenn niemand einer »Sippenhaft« das Wort reden will. Zu einem Zeitpunkt, in der die SPD für sich noch nach einer Antwort sucht, wie sie künftig mit der Partei am rechten Rand umgehen soll und der SPD-Landeschef Ralf Stegner fordert, die AfD unter die Beobachtung des Verfassungsschutzes zu stellen, erfährt die politisch doch sehr ungewöhnliche Ehe-Konstellation eine ganz besondere Aufmerksamkeit.

Das Paar betont, es führe eine harmonische Ehe. Es gebe zwar in den eigenen vier Wänden durchaus politisch kontroverse Gespräche, doch dabei bleibe es dann auch – in Achtung und Respekt vor dem jeweils anderen. Man habe getrennte Schreibtische und unterschiedliche Telefonanschlüsse.

Dennoch wühlt das Thema die Genossen im SPD-Kreisverband Schleswig-Flensburg auf. Denn dort ist Kerstin Hansen, die als Tierärztin arbeitet, Beisitzerin im Kreisvorstand und zuständig für die Pressearbeit. Das sei eine ebenso sensible wie bedeutsame und verantwortungsvolle Position, meinen viele Genossen, die der 44-Jährigen unterstellen, selbst bei bestem Willen eben nicht Parteiarbeit und Privatleben strikt voneinander trennen zu können. Und dann sei da ja auch die nicht zu unterschätzende Außenwirkung – just jetzt, wenn es allmählich in die Wahlkampfphase für die Landtagswahlen am 7. Mai geht.

Als Kreisvorsitzender ist Frank Hansen kein x-beliebiges Mitglied. Der 46-jährige Fregattenkapitän lebte mit Frau und drei Kindern noch bis vor drei Jahren in Berlin. In der Bewertung des AfD-Kreisverbandes lässt man es seitens der SPD nicht an Deutlichkeit vermissen. Im Mitgliederorgan des Kreises, dem »KV intern«, heißt es: »Insbesondere der Kreisverband Flensburg-Schleswig der AfD macht aus seiner dreisten rechtspopulistischen und kulturrassistischen Grundhaltung keinen Hehl.«

Auch wenn Kerstin Hansen, die seit über 20 Jahren das SPD-Parteibuch besitzt, erst im Juni in den Kreisvorstand gewählt wurde, hat sie zuletzt parteiintern zunehmend Gegenwind verspürt. Birte Pauls, jetzige Schleswiger SPD-Abgeordnete im Kieler Landtag, ist bereits auf Distanz zu ihr gegangen.

Anderen Ortsverbänden war die politisch heikle Lage bis vor kurzem überhaupt nicht bekannt.

Für den 11. Oktober ist nun eine Krisensitzung des Kreisverbandsausschusses anberaumt, dem der Kreisvorstand und die Vorsitzenden der Ortsverbände angehören. Kerstin Hansen betonte bisher immer, sie habe sich nichts vorzuwerfen und sehe daher auch keinerlei Grund, von ihrem Parteiamt im Kreisvorstand zurückzutreten. Der Kreisvorsitzende Ralf Wrobel fühlt sich – wie fast alle – jedenfalls nicht wohl in der aktuellen Situation. »Es wäre einfacher, wenn ihr Mann Mitglied der CDU wäre«, umschreibt er das Dilemma.

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