Erstsemester in Containern

Lüneburgs Beispiel, preisgünstig Studentenbuden anzubieten, könnte Schule machen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Hilfe! Dringend! Bitte! Mit solchen Ausrufen waren in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Zettel an den Pinnwänden deutscher Hochschulen überschrieben. Es folgen Texte, mit denen Studienanfängerinnen und -anfänger ein Obdach suchen. Wie viele künftige Akademiker sich für das Wintersemester eingeschrieben haben, kann das Bundesamt für Statistik noch nicht melden, im Jahr 2015 waren es rund 430 000.

Dem Zustrom der Studentinnen und Studenten stand und steht ein nur knappes Wohnungsangebot gegenüber. Und nur selten lässt sich der oft gehegte Wunsch, möglichst nah an der Universität und möglichst billig zu wohnen, erfüllen. Wie dennoch erschwingliche Quartiere geschaffen werden können, hat jüngst die Stadt Lüneburg in Niedersachsen gezeigt, als sie Erstsemestern ungenutzte Flüchtlingsunterkünfte in Containern zur Miete anbot. Eine Offerte, die auf lebhafte Resonanz stieß; es gab mehr Bewerber als leer stehende Wohneinheiten.

In ihnen leben nun, zusammen mit etwa 100 Flüchtlingen, 15 der 1500 Frauen und Männer, die jetzt ihr Studium an der Leuphana-Universität aufgenommen haben. Zur Verfügung stellen konnte die Stadt die Quartiere, weil sie weniger Flüchtlinge aufnehmen musste, als zunächst angenommen. Für ein Container-Domizil - ein jedes ist zwischen 14 und 16 Quadratmeter groß - berechnet sie den Uni-Neulingen 150 Euro im Monat. Ein Schnäppchen, müssen doch in Lüneburg für ein Wohngemeinschafts-Zimmer durchschnittlich 318 Euro monatlich gezahlt werden.

Im Entgelt für die Containerquartiere ist die Nutzung von Gemeinschaftsräumen eingeschlossen. Und dazu gibt’s viele Kontakte zu den Flüchtlingen. Das Miteinander gestalte sich freundlich, ist aus den Reihen der Erstsemester zu hören. Sie spielen in ihrer Freizeit gern mal Fußball mit den Kindern, wollen ihnen bei den Hausaufgaben helfen, gesellige Beisammensein sind geplant.

Bei aller Freude über solche Gemeinschaftserlebnisse und den günstigen Zimmerpreis hat die Sache einen Pferdefuß: Die Mietverträge laufen zunächst nur auf ein halbes Jahr. Eine Verlängerung hat die Stadt jedoch nicht ausgeschlossen. Und sie hat signalisiert, womöglich an anderer Stelle weitere nicht benötigte Flüchtlingsquartiere für Studierende bereitzustellen.

Sind auch andere deutsche Städte bereit, Studentinnen und Studenten ähnlich bei der Wohnungssuche entgegen zu kommen? Bei der Nachfrage des »nd« an einigen Hochschulstandorten kam bislang nur aus Jena ein klares Ja. Dort hat die Stadt keine Container, aber eine von Flüchtlingen nicht genutzte Gemeinschaftsunterkunft in einem Wohnkomplex dem Studierendenwerk verpachtet; 200 Menschen haben dort Platz.

In Berlin sei so etwas wie das Lüneburger »grundsätzlich angedacht«, heißt es aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Zurzeit aber seien »keine Kapazitäten vorhanden«. Sie fehlen auch in anderen Universitätsstädten, in denen es Flüchtlingsquartiere gibt, beispielsweise in Hannover und Leipzig.

In der Hansestadt Hamburg, wo sich zum Wintersemester rund 17 000 Neustudierende eingeschrieben haben, war man überrascht über die Container-Aktion in Niedersachsen. »Das ist ja eine interessante Sache«, sagte eine Sprecherin der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung. Und sie kündigte an, sie werde die Lüneburger Initiative mal »im Haus« bekannt machen.

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