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«Benütze Foto als Waffe!»
Wie John Heartfield und Ernst Volland in ihren Montagen die Wirklichkeit entlarven
Der Sinn des Hitlergrußes: Millionen stehen hinter mir.« John Heartfields Fotomontage über Hitler und seine Geldgeber ist legendär und dürfte den meisten »nd«-Lesern bekannt sein. 1932 in der »Arbeiter-Illustrierten Zeitung« (AIZ) erschienen, hat ihre aufklärende Kraft bis heute nichts eingebüßt. Auf einen Blick zeigt sie, wer am Aufstieg der Nazis interessiert war: Sie holt die »anonymen Kräfte« aus dem Dunkel. Dergleichen erhellende Bilder wünscht man sich auch heute, etwa um die Interessen in den Machtspielen im Nahen und Mittleren Osten bloßzulegen.
Nun hat der Berliner Verlag M eine Auswahl von Heartfields Fotomontagen aus den 1920er bis 1940er Jahren zusammengestellt. Die meisten entstanden für die »AIZ« und thematisieren Faschismus und den Krieg. Den Montagen Heartfields sind Arbeiten des Fotokünstlers und Karikaturisten Ernst Volland (geb. 1946) gegenübergestellt. Es sind zum einen ebenfalls Collagen, die in den 1970er und 1980er Jahren als Postkarten und Plakate erschienen. Zum anderen wird eine Auswahl aus der in den 1990er Jahren entstandenen Serie »Eingebrannte Bilder« gezeigt. In ihnen verfremdet Volland durch Unschärfe historische Fotos, die sich in das kollektive Gedächtnis »eingebrannt« haben. Im Bemühen, die Bilder zu enträtseln, wird der Betrachter aufgefordert, sich mit den Ereignissen und der Erinnerung an sie auseinanderzusetzen.
Bertolt Brecht konstatierte 1931 in »Der Dreigroschenprozess«, dass eine einfache Wiedergabe der Realität weniger denn je etwas über die Realität aussage: »Eine Photographie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinah nichts über diese Institute … Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letzteren nicht mehr heraus.« Um die »verdeckte Wahrheit« zu zeigen, brauche es die Kunst.
An diesem Punkt setzt die Fotomontage an. Sie verfremdet die Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit, wie Reiner Diederich in seinem Essay »Die Fotomontage als dialektisches Bild« in diesem Band erläutert. Die Fotomontage soll aufklären. Sie zielt auf »blitzartige Erkenntnis«.
»Benütze Foto als Waffe« bedeutet für Heartfield wie für Volland, »die Aggressionen gegen die Herrschenden durch Kunst« zu präzisieren, »damit sie sich gegen die tatsächlichen Ursachen der Verhältnisse richten«. Volland und Diederich sehen jedoch heute die politische Fotomontage als »Medium der Aufklärung und Mobilisierung« an ihr Ende gekommen. Angesichts der Inflationierung in den Medien und ihrer Vereinnahmung durch die Werbung habe die Fotomontage ihre kritische Kraft verloren. Sie zwinge die Verhältnisse nicht mehr zum Tanzen. Volland setzt dagegen als neue Form der Verfremdung seine »Eingebrannten Bilder«.
Hat sich die Fotomontage als politische Kunst tatsächlich erschöpft? Die in dem Band versammelten Collagen zeigen das Gegenteil. Die Kraft der Fotomontage liegt in der satirischen Entlarvung. Sie lässt uns über die Verhältnisse lachen. Damit leistet sie weiterhin Aufklärung.
Streitbar. Annäherung an zwei widerständige Künstler: John Heartfield - Ernst Volland. Verlag M im Stadtmuseum Berlin. Deutsch/Englisch. 160 S., 82 Abb., br., 29,90 €. Veranstaltungstipp: Das Münzenberg Forum Berlin lädt am Dienstag, den 1. November, zur Vernissage der Ausstellung »Montage_16/100 Jahre später« mit Bildern von John Heartfield und George Grosz ein, auf der auch der diesjährige Collagepreis »Benütze Foto als Waffe!« verliehen wird; 18 Uhr, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin.
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