Option Ausstieg bleibt vage

Kabinett für neues Gentechnikgesetz

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundesregierung hat am Mittwoch die Neuregelung des Anbauverbots für gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO) in Deutschland auf den Weg gebracht. Der am Mittwoch vom Kabinett gebilligte Gesetzentwurf von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) soll die Verantwortung für GVO-Verbote zwischen Bund und Ländern aufteilen. Schmidt sprach von einem »guten und rechtssicheren Kompromiss«.

Lange hatte sein Ministerium mit den Bundesländern um einen solchen Kompromiss gerungen. Mit dem neuen Gesetz wird eine EU-Richtlinie von 2015 umgesetzt. Damit sollen die Mitgliedsstaaten ihr eigenes Territorium vom Anbau EU-weit zugelassener Gentechpflanzen ausnehmen lassen können. Zuvor hatten sich die Mitgliedstaaten bei Zulassungen mehrfach nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können.

In Deutschland wollte das Landwirtschaftsministerium die Ausstiegsoption zunächst den Bundesländern überlassen. Doch die forderten, die Bundesregierung müsse bundesweite Verbote erlassen.

Das neue Gesetz sieht ein zweiphasiges Verfahren vor. In Phase eins muss Deutschland ein Gentechunternehmen, das GVO anbauen will, über die EU-Kommission auffordern, das deutsche Territorium freiwillig aus dem Antrag auszunehmen. Laut Entwurf soll der Bundeslandwirtschaftsminister diesen Schritt machen, wenn so viele Bundesländer das fordern, wie für eine absolute Mehrheit im Bundesrat nötig wären. Die Länder müssen ihre Forderung innerhalb von 35 Tagen schriftlich begründen. Außerdem müssen fünf Bundesministerien einverstanden sein, darunter die Ressorts Wirtschaft und Forschung. Besonders letzteres gilt allgemein als gentechnikfreundlich.

Sollte der Anbau trotz der Anfrage bei der EU-Kommission für deutsche Gebiete zugelassen werden, tritt Phase zwei in Kraft: Die Bundesregierung kann die entsprechende Gentechpflanze per Verordnung verbieten. Der Bundesrat muss dieser Verordnung zustimmen. Auch hier müssen »zwingende Gründe« angeführt werden, etwa umwelt- oder agrarpolitische Nachteile oder oder sozioökonomische Belastungen.

Kritik gibt es besonders an der Zustimmungspflicht von insgesamt sechs Ministerien. Es sei »grotesk, dass ein einziges Ministerium die Macht bekommt, Anbauverbote scheitern zu lassen. Die Beteiligung der Ministerien muss gestrichen werden, eine Mehrheit der Länder muss für ein Anbauverbot ausreichen«, forderte etwa der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger.

Ein Einvernehmen der sechs Ministerien sei »illusorisch«, da das gentechnikfreundliche Forschungsministerium immer sein Veto einlegen werde, befürchtet auch BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer. Somit werde die Verantwortung letztlich doch auf die Länder abgeschoben. Doch Landesregierungen, die keine Gentechnik auf ihren Äckern wollen, müssten ihre Verbote ausführlich begründen, was einen hohen behördlichen Aufwand erfordere. »Konzernanwälte würden die Verbotsgründe der Länder auf Schwachstellen abklopfen und die Bundesländer stünden unter permanentem Klagedruck«, ergänzt Moldenhauer und kommt zu dem Schluss: »Dieses Gesetz macht Deutschland zum Gentech-Flickenteppich.« Da Pollen aber nicht an Ländergrenzen halt machten, sei die schleichende gentechnische Kontamination von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion bereits absehbar.

Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) forderte Agrarminister Schmidt und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf, ein »wirksames Verbot« zu schaffen, »anstatt die Verantwortung auf die Länder abzuwälzen«. Gemeinsam mit Campact, Bioland, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, dem Bundesverband Naturkost Naturwaren und der Interessengemeinschaft Gentechnikfreies Saatgut protestierte der BÖLW am Mittwoch vor dem Bundeskanzleramt. Röhrig verwies in Berlin auf fast 360 000 BürgerInnen, die sich diesem Appell angeschlossen hätten.

Sollte nach dem neuen Gesetz tatsächlich der Anbau einer Gentech-Pflanze in Deutschland verboten werden, ist im Entwurf zudem ein Wiedereinstieg, das »Opt in« geregelt. In diesem Fall ist die Einbeziehung der übrigen Bundesministerien nur noch eine »Kann-Bestimmung«. In der Folge übernimmt der Bund oder auch ein einzelnes Bundesland wieder die geltende Zulassung einer in der EU zugelassenen Gentechpflanze.

Die Gefahr eines »Flickenteppichs« sieht selbst der Deutsche Bauernverband (DBV), der sich nicht grundsätzlich gegen Gentechnik auf dem Acker ausspricht. Das überaus »komplizierte Verfahren« sei nach Einschätzung des DBV weder für die »ohne Gentechnik«-Produktionskette noch für diejenigen sinnvoll und praktikabel, die »mit Gentechnik« arbeiten. Der Bauernverband vertritt deshalb ebenfalls die Meinung, »nur eine einheitliche bundesweite Regelung« könne die »nötige Rechtssicherheit gewährleisten«.

Nach dem Kabinettsentwurf hat der Bundesrat im Dezember Gelegenheit, zum Entwurf Stellung zu nehmen, bevor das Gesetz im Bundestag beraten wird. Dort gab es zuletzt auch von Seiten der SPD kritische Stimmen. So erklärte die SPD-Abgeordnete Elvira Drobinski-Weiß, sie sei verwundert, dass Agrarminister Schmidt sich selbst auferlege, mit fünf anderen Ministerien ein Einvernehmen herstellen zu müssen. »Mich erstaunt doch, dass Sie den ganzen Prozess freiwillig so enorm verkomplizieren.«

Die Opposition kritisierte, »die Hürden sind so hoch, dass ein Anbauverbot nicht ermöglicht, sondern eher verhindert wird«, so Kirsten Tackmann. Die agrarpolitische Sprecherin der LINKEN forderte, die SPD müsse helfen, das Gesetz im Bundestag zu korrigieren.

Wie die Bundesländer auf den vermeintlichen Kompromiss reagieren werden, ist noch unklar. Mitte Oktober hatten Minister aus zehn Ländern in einem Brief an Schmidt noch einmal kritisiert, dass abgesprochene Kompromisse in seinem Entwurf nicht zu finden seien. Ablehnen kann der Bundesrat das Gesetz jedoch nicht, nur Einspruch erheben und damit den Prozess verzögern.

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