Erdogan macht Türkei zur Diktatur

Martin Ling über die Repressionswelle gegen die Opposition und die Zwickmühle der Bundesregierung

Ist die Türkei schon eine Diktatur oder noch auf dem besten Wege dahin? Die Festnahmen von zahlreichen Abgeordneten der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP unter fadenscheinigen Vorwürfen sind ein weiterer Beleg dafür, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan rücksichtslos die Türkei für seine absolutistischen Machtansprüche umbaut. Rektoren der Universitäten werden künftig nicht mehr gewählt, sondern direkt durch Erdogan ernannt. Die offen nach dem Putschversuch von Teilen der Armee am 15. Juli verkündeten »weitreichenden Säuberungen« kosteten schon 100.000 Richter, Staatsanwälte, Lehrer, Polizisten und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ihren Job. Erdogan hat den unmittelbar nach dem Putschversuch verhängten Ausnahmezustand bis Januar verlängert, denn gut Diktatur will Weile haben.

Bisher ist sich Erdogan offenbar sicher, dass ihm niemand in den Arm fällt. Ohne Einbindung des NATO-Mitglieds Türkei lässt sich weder der IS eindämmen noch die Flüchtlingsintegration bewältigen, denn dass sich die EU auf eine solidarische Lösung verständigt, ist leider auszuschließen.

Die Bundesregierung steckt in der Zwickmühle: Am Flüchtlingsdeal mit der Türkei will sie nicht rühren; Erdogans Treiben weiter tatenlos zuzusehen, ist peinlich. Wenn der Bundestag in der kommenden Woche das Mandat für die Bundeswehr in Incirlik verlängern sollte, wäre dies der endgültige Offenbarungseid. Erdogan scheint damit zu rechnen.

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