»In einer Blutwolke nach hinten gerissen«
Die Daily-Soap der Bundeswehr und Wahrheiten im Y-Magazin
Seit einer Woche kann man auf Youtube sehen, wie es – angeblich - zugeht bei der Bundeswehr. Zwölf junge Frauen und Männer, die zum Militär gegangen sind, lassen alle Welt ihren Alltag bei der dreimonatigen Grundausbildung in der Marineschule Parow miterleben. Die Daily Soap in Fleckentarn ist so schlecht nicht gemacht. Sie kann, so locker flockig wie sie aufgezogen ist, gewiss junge Menschen interessieren. Auch wenn der Anspruch der Macher, laut dem alles authentisch wirken soll, nicht erfüllt ist. Da ist doch allzu viel Regie im Spiel, schon weil die jungen Rekruten nahezu fehlerfrei alle für den Auftraggeber Bundeswehr wichtigen Botschaften aus sich herausplappern.
Den Werbefischzug lässt sich das Verteidigungsministerium fast acht Millionen Euro kosten - und verballert damit zielbewusst fast ein Viertel des gesamten Etats für die Nachwuchsgewinnung. 1,7 Millionen Euro kosten die You-Tube-Filmchen. Ein Kollege der Tagesschau hat jüngst ausgerechnet, dass eine Folge mit fast 19.000 Euro zu Buche schlagt. Oder noch brutaler: Jede gesendete Minute dieses uniformierten Dummgeplappers kostet fast 4000 Euro. Steuergeld. Damit auch ja genügend Leute aus der anvisierten Zielgruppe zuschauen, setzt das Militär noch einmal rund 6 Millionen Euro als Werbung für die Werbung ein. Da hätte man gewiss viel sparen können, denn Medien aller Art - auch »nd« - haben mit ihrer Berichterstattung über die Bundeswehr-Homestory mehr Reklame gemacht, als sich die Bundeswehr erhoffen konnte.
Eine Kritik, die wohl obenan stehen muss: Die Auftraggeber und Macher der Filmchen sparen die wichtigste Frage aus – die nach dem Sinn des Soldatseins. Die Bundeswehr ist – was immer sie uns weismachen will - eben keine x-beliebige Firma, die wie alle anderen kreativen Nachwuchs sucht. Die Angestellten von Ursula von der Leyen erfüllen Befehle – und sie töten. Wer sich auf den Beruf einlässt, muss sich befragen, ob er bereit ist, Menschen, die ihm völlig unbekannt sind, umzubringen. Oder sich von anderen Menschen umbringen zu lassen. Der Wald hinter dem Einsatzführungskommando in Potsdam ist voll von »Heldendenkmalen« aus Afghanistan.
»Krieg ist kein Videospiel. Nicht ästhetisch. Er ist dreckig und staubig. Das darf man nie vergessen.« Der Satz ist in der jüngsten Ausgabe des Bundeswehr-Magazins Y nachzulesen. Das ist freilich weniger verbreitet als die Daily Soap. Dem Journalistenkollegen Thomas Wiegold fiel die Geschichte dennoch auf, denn sie ist kein üblicher Beitrag aus dem Bereich der Bundeswehr-Öffentlichkeitsarbeit.
Wiedergegeben wird ein Gespräch mit einem Fallschirm-Hauptfeldwebel, der in Afghanistan gedient hat. Der Soldat wehrt sich gegen Stammtisch-Prahlerei. Als er schoss, wurde der Gegner »in einer Blutwolke nach hinten gerissen«. Es sei eine Sache »von wenigen Augenblicken. Gegner neutralisiert, weiter vorrücken, Übersicht behalten.« Dass durch seine Hand ein Mensch gestorben ist, belastet den 40-Jährigen nicht. »Darüber habe ich vor Ort nicht eine Sekunde nachgedacht.« Während des Gefechts gab es dazu auch keine Zeit. »Der Mann war ein Ziel.«
Man darf gespannt sein, ob, wann und wie in der täglichen You-Tube-Story über das Töten und das Sterben gesprochen wird.
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