Neue Hüfte nicht ohne Risiko
Endoprothetiker befürchten eine Verschlechterung bei der Versorgung von Patienten mit Gelenkersatz
Von einer »extrem positiven Entwicklung« beim Gelenkersatz spricht Carsten Perka. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) sieht er für die allermeisten Patienten eine »erhebliche Erhöhung der Lebensqualität«: weniger Schmerz, mehr Mobilität. Dennoch sehen die Mediziner die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte bedroht. Darüber hinaus kritisieren zahlreiche Fachleute eine Überversorgung der Patienten. Ein großer Teil der Knie- und Hüftimplantate sei nicht medizinisch indiziert.
Dem widerspricht Perka, der an der Berliner Charité, das Centrum für muskulosketale Chirurgie leitet, entschieden. Auf dem gesundheitspolitischen Forum mit dem Thema »Patientenversorgung durch Endoprothetik - Analyse eines Gruppenerfolgs«, zu dem die Fachgesellschaft in Berlin eingeladen hatte, ging er auf internationale Vergleichszahlen ein, anhand derer oftmals argumentiert wird, viele dieser Operationen seien in Deutschland überhaupt nicht notwendig.
Als wesentlichsten Grund dafür, dass der Prozentsatz der mit künstlichen Gelenken versorgten Menschen hier zu Lande am höchsten sei, nennt er, dass »mit dieser Operation tatsächlich die Lebensqualität dramatisch verbessert werden kann«. Außerdem könnten sich Patienten aufgrund unseres Gesundheitssystems solche Operationen hier auch leisten. Ein künstliches Hüftgelenk sei mit rund 6000 Euro weit günstiger als etwa in den USA oder China. Seit 2005 stiegen die Fallzahlen um ein bis zwei Prozent pro Jahr - entsprechend der demografischen Entwicklung. »Die Indikation für einen Gelenkersatz stellt der Patient«, erklärte Perka. Das erste und wichtigste für den Arzt sei, mit ihm über die Gründe dafür, aber auch die Risiken der Operation zu sprechen. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation treffe dann auch nur der Patient. Für starke Verunsicherung hätte dabei in den vergangenen Jahren das »gehäufte frühzeitige Fehlschlagen einiger weniger Prothesentypen« geführt. Deren »hohe Versagerraten« hätte auch das gegenwärtige Zulassungsverfahren nicht verhindern oder vorhersagen können. Dies sei aktuell nur durch eine Kontrolle aller endoprothetischen Versorgungen durch ein Register möglich. Die AE fordert daher, dass alle Kliniken, die Endoprothesen einsetzen, verpflichtend an das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) berichten müssen, um die Standzeit und die Funktion der implantierten Prothesen vergleichen zu können und damit die beste Implantatwahl für jeden Patienten treffen zu können. Trotz aller Erfolge werde jedoch nicht bei allen Prothesen-Operationen eine volle Zufriedenheit des Patienten erreicht, konstatierte Henning Windhagen, Hannover. Zur Qualitätssicherung bei diesen Eingriffen gehörten korrekte Indikationsstellung, individuelle Risikoabschätzung sowie Vermeidung von Fehlern des Operateurs und im institutionellen Ablauf der Prothesen-Implantation. Ein Instrument dazu ist die EndoCert-Initiative, die Endoprothetik-Zentren und Operateuren nach gründlicher Prüfung Zertifikate ausstellt, wenn sie die Qualitätsanforderungen der Fachgesellschaften an endoprothetische Operationen erfüllen. Im Internet können sich darüber auch potenzielle Patienten informieren.
Wolfhart Puhl, Sprecher der AE-Akademie, empfiehlt potenziellen Patienten, einen erfahrenen, geübten Operateur zu wählen, der mindestens 50, möglichst aber mehr als 100 Hüft- bzw. Knieimplantationen im Jahr vornimmt. Außerdem rät er, nach der Infektionsrate am jeweiligen Ort der geplanten Operation zu fragen, denn heute seien Krankenhausinfektionen die Hauptursache für Komplikationen nach dem Einsatz eines Gelenkersatzes.
Für nicht weniger gefährlich halten die Mediziner die beschlossene Kürzung der pauschalen Vergütungen. Für eine einfache Hüftgelenksendoprothese sinkt sie 2017 um 5,75 Prozent und 2018 erneut. »Zu diesem Preis können wir die hohe Qualität unserer Versorgung nicht mehr halten«, befürchtet AE-Generalsekretär Karl-Dieter Heller. »Die Menschen werden sich zukünftig wohl auf weniger hochwertige und innovative Therapie-Angebote, längere OP-Wartezeiten, noch schnellere Entlassungen aus der Klinik sowie Prothesen mit einer möglicherweise geringeren Haltedauer einstellen müssen.«
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