Zuma entwickelt sich zum Alptraum
Südafrikas Präsident hält sich trotz unzähliger Skandale noch im Amt und bringt ANC in Misskredit
In Südafrika beginnt der Sommer, wie überall auf der Südhalbkugel, im Dezember. Dann endet auch das Schuljahr. Mit dem Zeugnis unterm Weihnachtsbaum starten die Kinder des Landes in die Ferien. Die Politik legt in der wärmsten Zeit des Jahres ebenfalls eine Pause ein - und Südafrikas größte Wochenzeitung »Mail & Guardian« verteilt Noten für Kabinettsmitglieder. Präsident Jacob Zuma hat dabei dieses Jahr ein Novum erreicht: Von der Vorjahresnote F - die in Deutschland einer glatten 6 entspricht - rutschte er noch tiefer. In Zahlen oder Buchstaben lässt sich das kaum noch ausdrücken. »We give up« - wir geben auf - schrieben die Blattmacher dem Staatschef ins Klassenbuch. »Es spricht für Zumas Disziplin und Arbeitsethik, dass er so viele Versagen in einem einzigen Kalenderjahr untergebracht hat«, bilanzierte der »Mail & Guardian« am 22. Dezember sarkastisch.
Dass der Präsident sich noch immer im Amt hält, ist Wunder (für ihn) und Alptraum (für Südafrika) zugleich. Zuma bereichert nicht nur sich selbst, sondern schreckt auch nicht davor zurück, die politische Souveränität seines Landes an windige Geschäftsleute zu verhökern. Im März wagte sich Vizefinanzminister Mcebisi Jonas an die Öffentlichkeit, um Unvorstellbares zu berichten: Auf Wunsch von Zumas Sohn Duduzane hatte er sich mit diesem in einem Johannesburger Hotel getroffen, von wo aus der Präsidentensprössling mit ihm zu einem »Freund« fuhr. Jonas Erstaunen war seiner Aussage nach groß, als sich dieser Partner von Zuma Junior als einer der drei Gupta-Brüder entpuppte, die zu den Reichsten Südafrikas gehören. Noch erstaunlicher wurde es, als die Milliardärsfreunde des Präsidenten ihm den Chefsessel im Finanzministerium anbaten, eine Plastiktüte mit umgerechnet 40 000 Euro in bar als Sofortzahlung und die Aussicht auf weitere 40 Millionen Euro in Unternehmensbeteiligungen inklusive. Jonas lehnte ab.
Der Generalsekretär des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Gwede Mantashe, schwang sich in der Folge zum Chefermittler auf und ermutigte seine Parteimitglieder, ihm ähnliche Fälle von versuchter Einflussnahme auf staatliche Stellen anzuvertrauen. Doch Zumas Netzwerk blieb stabil, kaum ein weiterer Zeuge traute sich aus der Deckung. Der Präsident blieb unangetastet - und seine Geschäftspartner machten weiter.
Ende Oktober berichtete das Onlineportal Daily Maverick über einen Deal, bei dem der halbstaatliche Stromversorger Eskom umgerechnet knapp 40 Millionen Euro im Voraus an einen Kohlelieferanten bezahlte, der damit überhaupt erst die entsprechende Bergbaufirma kaufen konnte. Profiteure des Geschäfts: die Gupta-Brüder. Maßgeblich für dessen Zustandekommen: Bergbauminister Mosebenzi Zwane, ein Mann, dem ein enges Verhältnis mit der indischstämmigen Unternehmerfamilie nachgesagt wird.
Auch die damals noch amtierende staatliche Ombudsfrau Thuli Madonsela untersuchte den Eskom-Deal und kam zu dem Schluss, dass dieser möglicherweise gesetzeswidrig war. Gleiches schrieb sie über Zwanes Einmischung zugunsten der Guptas. Zuma versuchte, die Veröffentlichung des Berichts vor Gericht zu verhindern, scheiterte aber. Ebenso erfolglos hatte der Präsident sich bereits gegen die Aufforderung Madonselas geweigert, einen Teil der Kosten für den angeblichen Sicherheitsausbau seiner ländlichen Privatresidenz an die Staatskasse zurückzuzahlen. Sein Polizeiminister ließ dafür sogar Feuerwehrleute anrücken, die vor laufenden Fernsehkameras das Wasser aus dem Pool pumpten und auf die reetgedeckten Dächer des Anwesens spritzten. Es half nichts: Im März befand das Verfassungsgericht in Johannesburg, dass Zuma es durch das Ignorieren der Ombudsfrau versäumt hatte, die Verfassung zu verteidigen und aufrechtzuerhalten. Dies zu tun, war einmal Teil seines Amtseids.
Rücktrittsforderungen saß Zuma jedoch auch in der Folge mit größtmöglicher Arroganz aus. ANC-Veteranen und moralische Instanzen wie Denis Goldberg und Ahmed Kathrada, die als Weggefährten Nelson Mandelas für ihren Kampf gegen die Apartheid jahrzehntelang hinter Gittern saßen, flehten Zuma nahezu an. Er solle doch bitte endlich zurücktreten, um Schaden von der Partei abzuwenden. Dessen Reaktion: Er streute Gerüchte, seine Gegner seien von Imperialisten bezahlt, und überhaupt habe er etliche von ihnen seit dem Ende der Apartheid 1994 nicht mehr gesehen. Die meisten der Veteranen gehörten zudem keinen Parteistrukturen an, erklärte Zuma öffentlich.
Selbst als mehrere Minister in einer Sitzung des ANC-Exekutivkomitees die Abberufung des Präsidenten forderten, riefen dessen Bluthunde stattdessen zur Entmachtung der Kabinettsrebellen auf. Zuma, unter dessen Führung der ANC bei den Kommunalwahlen im August landesweit acht Prozentpunkte sowie erstmals die absolute Mehrheit in drei der wichtigsten Metropolen Südarfikas an die Opposition verloren hatte, blieb im Amt.
Gespalten wie nie zuvor und in der Bevölkerung diskreditiert, wie es für die einstige Befreiungsbewegung nie vorstellbar gewesen wäre, schlingert der ANC so dem Abgrund entgegen. Letzter Strohhalm ist der Wahlparteitag im Dezember 2017, bei dem Zuma den ANC-Vorsitz abgeben muss. Doch die beiden bisher bekannten Nachfolgekandidaten, von denen der oder die Siegreiche 2019 für die Partei bei den Präsidentschaftswahlen antreten wird, versprechen wenig positive Veränderung. Die eine ist die scheidende Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, ehemalige Ehefrau des Präsidenten und Mutter des mit den Guptas vernetzten Duduzane Zuma. Sie wird vom Lager des Staatschefs unterstützt.
Der andere ist Cyril Ramaphosa, der Mann des westlichen Kapitals. Er ist derjenige, der als Aufsichtsratsmitglied, schwerreicher Teilhaber und politisches Bindeglied des Bergbaukonzerns (und maßgeblichen BASF-Zulieferers) Lonmin einen Tag vor dem Massaker von Marikana zu einem »entschiedenen Durchgreifen« gegen streikende Kumpel aufgerufen hatte. Einen Tag später starben 34 Arbeiter im Kugelhagel der Staatsmacht.
Ein linker ANC-Flügel, dessen längst kaltgestellte Protagonisten vor zehn Jahren geglaubt hatten, Zuma wäre der geeignete Kandidat, ist inzwischen nicht mehr erkennbar.
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