Twin Peaks kommt zurück
Mark Frost hat zu seiner berühmten Fernsehserie eine Art Roman herausgebracht
Die sogenannte Qualitäts-TV-Serie ist aus dem postmodernen Kulturbetrieb gar nicht mehr wegzudenken. Als wichtiger Vorläufer dieser Erzählform, wie man sie in »Die Sopranos« oder »Mad Men« findet, gilt die Serie »Twin Peaks«, die 1990/91 in zwei Staffeln gesendet wurde. In der düsteren Geschichte um einen bestialischen Mord in einer amerikanischen Kleinstadt inmitten geheimnisvoll rauschender Wälder entwarfen Regisseur David Lynch und Produzent Mark Frost ein stilistisch und erzählerisch ungemein dichtes Epos, das damals weltweit in mehr als 50 Ländern über die Bildschirme flimmerte. Mit seinen skurrilen Figuren, den phantastischen Elementen und der komplexen Darstellung der Kleinstadt als soziokulturellem Biotop setzte »Twin Peaks« neue Maßstäbe für das Genre der Fernsehserie. Für 2017 ist eine Fortsetzung des TV-Mythos geplant - wieder unter Federführung des Duos Lynch/Frost. Als Anreißer hat Mark Frost nun eine Art Roman herausgebracht, der gleichzeitig in zahlreichen Übersetzungen erscheint. »Das Geheimnis von Twin Peaks« ist ein aufwendiges, großformatiges Konvolut, das fast im Stil eines Bildbandes Fotos, fingierte FBI-Berichte, Zeitungsartikel und geheime Tagebuchaufzeichnungen bietet.
Dieses Dossier, so heißt es zu Beginn, sei ein Fundstück des FBI; die jeweiligen »Dokumente« werden von einer Agentin in der Randspalte kritisch kommentiert. Das Twin-Peaks-Dossier geht weit zurück in die Geschichte des fiktiven Ortes im Bundesstaat Washington nahe der kanadischen Grenze - noch bis vor seiner Gründung.
Die Dokumente erzählen von geheimnisvollen Grabstätten indigener Stämme, eine aus Fragmenten bestehende Chronik berichtet von Glücksrittern im 19. Jahrhundert, einer niederträchtigen Verschwörung, es geht um miteinander im Streit liegende Sägewerksbesitzer, um die aufkommende Industrie und um ein Opernhaus, das in der mit Kiefern- und Tannenwald bestandenen Pampa erbaut wird.
Dabei knüpft Mark Frost dramaturgisch und ästhetisch geschickt an die Personen und Ereignislinien der Serie an und fügt dem eh schon komplexen Twin Peaks’schen Universum noch eine uramerikanische Gründungsgeschichte hinzu. Er spinnt das Kleinstadtepos bis weit ins 20. Jahrhundert und schließlich auch in die späten 1980er Jahre fort, in denen die Handlung der Serie verortet war.
Dabei streift »Das Geheimnis von Twin Peaks« so ziemlich jeden noch so platten Mythos gängiger Verschwörungstheorien, die sich in Zeiten viraler Verbreitung im Netz größter Beliebtheit erfreuen. Da die jeweiligen Dokumente aber von einer namenlosen FBI-Agentin kommentiert werden, liefert Mark Frost in vielen Fällen zusätzlich zum Unsinn über Ufos, Verschwörungen der Regierung und übernatürliche Begegnungen die halbwegs vernünftige Kritik gleich mit. Wobei natürlich ein gutes Stück Mysterium zurückbleibt. Anders ist das bei »Twin Peaks« ja auch kaum vorstellbar. Wie in der Serie schon angedeutet und im Buch ausführlicher beschrieben, ist Twin Peaks nämlich auch die Beobachtungsstelle eines Programms für paranormale Ereignisse und UFO-Sichtungen. Wobei Buch wie Serie immer wieder den Grenzbereich von Phantastik und Wissenschaft ausloten. Das war in der Serie vor einem Vierteljahrhundert die Aufgabe der zentralen Figur des FBI-Special Agent Dale Cooper, dargestellt von Kyle MacLachlan, der auch in der neuen Staffel mitspielen soll. Den Charakter dieser souveränen, sehr trocken und manchmal fast naiv wirkenden, aber auch begeisterungsfähigen Person schreibt Frost auf recht gelungene Weise in der FBI-Agentin fort, die im Buch die Dokumente sichtet und kommentiert. Worauf die Fortsetzung, die im Frühling auf Sky laufen soll, dann letztlich aus dem bunten Blumenstrauß mysteriöser Ereignisse und Personen aus dem Buch fokussieren wird, darauf darf man gespannt sein. Bis dahin bleibt das natürlich ein Geheimnis.
Mark Frost: Das Geheimnis von Twin Peaks. Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. Kiepenheuer und Witsch, 368 S., geb., 39,90 €.
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