May liefert Brexit-Strategie
Rechtliche Stellung von EU-Bürgern in Großbritannien wird nicht definiert
Der britische Brexit-Mister David Davis ist optimistisch. »Die besten Tage werden erst noch kommen«, sagte er, als er dem Unterhaus das versprochene Weißbuch vorstellte, in dem die Regierung ihre Pläne für den Ausstieg aus der EU darlegt. Am Vorabend hatten die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit für den Beginn des Austrittsprozesses gestimmt, und entsprechend waren Davis und seine gegenüber der EU kritischen Kollegen im Parlament guter Dinge. Jetzt gehe es darum, eine »neue, positive und konstruktive Partnerschaft zwischen Großbritannien und der EU zu schaffen, die im gegenseitigen Interesse liegt«, sagte Davis.
Große Überraschungen brachte das Weißbuch indes nicht: Es wiederholt in groben Zügen die Kernpunkte, die Regierungschefin Theresa May in ihrer Brexit-Rede Mitte Januar ansprach. Dazu gehören die geplante Kontrolle der Einwanderung und der Ausstieg aus dem europäischen Binnenmarkt. Die Mitgliedschaft im gemeinsamen Markt soll durch eine »strategische Partnerschaft« mit den EU-Ländern ersetzt werden.
Austrittserklärung: Spätestens am 31. März will die britische Premierministerin Theresa May den Europäischen Rat offiziell vom Austrittswunsch in Kenntnis setzen.
EU-Mandat: Sobald das Schreiben aus London eintrifft, zurrt die Rest-EU ihre Verhandlungslinie fest: Ein Sondergipfel der 27 Staats- und Regierungschefs beschließt drei bis fünf Wochen später Leitlinien. Auf dieser Basis schlägt die EU-Kommission den Start der Verhandlungen und ein Mandat vor und lässt es vom Rat bestätigen.
Verhandlungen: EU-Chefunterhändler Michel Barnier und sein Team geben sich 18 Monate für die eigentlichen Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens und Übergangsregelungen, also etwa bis Oktober 2018.
Ratifizierung: Auf EU-Seite muss das Austrittsabkommen vom Europaparlament gebilligt und dann vom Rat angenommen werden – und zwar ohne Großbritannien. Premierministerin May will den Vertrag auch dem britische Parlament vorlegen. dpa/nd
Die Regierung hofft, innerhalb der zweijährigen Frist zu einer Einigung über die künftige Partnerschaft mit der EU zu kommen, und das Parlament soll am Ende über die abgeschlossene Vereinbarung abstimmen können. Zudem fasst die Regierung eine Übergangsperiode ins Auge, also eine Zeitspanne, während der die neuen Vereinbarungen umgesetzt werden können.
In Bezug auf die Rechte der EU-Bürger, die sich bereits in Großbritannien aufhalten, wiederholt das Strategiepapier Mays Beteuerungen, dass die Abklärung ihrer rechtlichen Stellung »zu den frühen Prioritäten für die kommenden Verhandlungen« zähle. Für die oppositionelle Labour-Party ist das klar zu wenig: Keir Starmer, Brexit-Sprecher der Labour-Partei, kritisierte die Tatsache, dass die Regierung noch immer nicht bereit sei, den Status der EU-Bürger zu klären.
Nicht nur die fehlenden Details führten bei der Opposition und den Brexit-Gegnern im Parlament zu Ärger, sondern auch die Tatsache, dass das Weißbuch erst nach der parlamentarischen Debatte zum Brexit-Gesetz publiziert wurde - normalerweise wissen die Abgeordneten genau, worüber sie abstimmen. Dass die Regierung überhaupt eine Blaupause zu ihren Plänen veröffentlicht hat, verdankt sich allein dem Druck, den die Brexit-Gegner im Parlament gemacht haben. Die Art und Weise, wie die Regierung an die kommenden Verhandlungen mit der EU herangeht, vermittelt den Eindruck, dass sie sich so wenig wie möglich vom Gesetzgeber stören lassen will.
Doch die EU-Freunde, die im Unterhaus die klare Mehrheit stellen, haben andere Pläne: Für sie ist das parlamentarische Votum für den Beginn des Brexit-Prozesses kein Blankoscheck für die Regierung, ihren »harten« Brexit umzusetzen. Sie werden die kommenden Debatten im Parlament dazu nutzen, Gesetzesänderungen vorzuschlagen, die eine völlige Abkoppelung Großbritanniens von der EU verhindern. Abgeordnete haben bereits 60 Seiten an Änderungen eingereicht.
Allerdings ist die Zeit knapp: Bereits am kommenden Mittwoch wird die zweite Abstimmung stattfinden, bevor die Vorlage vor das Oberhaus kommt. Anfang März hofft die Regierung alle parlamentarischen Hürden hinter sich zu haben und wie angekündigt den Brexit-Prozess Ende des Monats zu beginnen.
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