Betten hebeln die Mietpreisbremse aus
Immer mehr Wohnungen kommen nur noch möbliert auf den Markt / Senat sieht keinen Anlass zur Beunruhigung
Eines hat der in der vergangenen Woche erschienene Wohnmarktbericht (»nd« berichtete) deutlich gezeigt: Die Angebotsmieten bei Neuverträgen steigen kräftig weiter, die Mietpreisbremse ist faktisch unwirksam. Der Bericht basiert auf der Auswertung von 82 000 Mietangeboten im Internet im vergangenen Jahr, laut Schätzungen entspricht das 55 bis 60 Prozent der gesamten Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt.
Doch der Bericht lenkt den Blick auch auf ein spezielles Segment. Immer mehr Vermieter bieten ihre Wohnungen möbliert an, natürlich mit entsprechenden Aufschlägen auf die eigentlich zulässige Kaltmiete. Üblich sind demnach Aufschläge von 3 bis 3,50 Euro pro Quadratmeter, bei kleineren Appartements sind es mitunter deutlich mehr.
Es liegt auf der Hand, dass dies eines der Instrumente der Vermieter ist, die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen auszuhebeln und das Zweckentfremdungsverbot zu umgehen, das nur bei tage- oder wochenweiser Vermietung greift. Die Zahlen machen deutlich, dass es sich keineswegs um ein Randproblem handelt. Im vergangenen Jahr wurden berlinweit 27,4 Prozent aller erfassten Wohnungen möbliert angeboten, Spitzenreiter waren die Bezirke Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf mit 38,1 und 37,4 Prozent. Zwar gab es derartige Angebote schon immer, weil Studenten und nur temporär in Berlin beschäftigte Menschen Wohnen auf Zeit nachfragen. Aber die Steigerungsrate macht deutlich, dass längst auch herkömmliche Wohnungssuchende in derartige Wohnungen gedrängt werden. Rechnet man befristete Angebote und WG-Zimmer heraus, so stieg der Anteil möblierter Wohnungen zwischen 2013 und 2016 von 2,2 auf 5,2 Prozent.
In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat man sich laut Sprecherin Petra Rohland mit dieser Entwicklung noch nicht beschäftigt. Man habe »derzeit ganz andere Baustellen«, so Rohland. Außerdem sei diese Angelegenheit auch nicht Bestandteil des Koalitionsvertrages. Die deutlich gestiegenen Zahlen seien nach ihrer Einschätzung kein Anlass zur Beunruhigung. In einer Stadt wie Berlin gebe es nun mal eine starke Nachfrage nach temporären Wohnformen. Außerdem gebe es Zuzügler, »die den Aufpreis für eine eingebaute Designerküche gerne zahlen«. Jedenfalls sei »in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen«, dass das Wohnungsressort in dieser Frage aktiv werde.
Im besonders betroffenen Charlottenburg-Wilmersdorf nimmt man die Zahlen zwar zur Kenntnis, sieht aber keine Möglichkeit, regulierend einzugreifen. »Wir können da gar nicht machen«, erklärte eine Sprecherin der Abteilung Bürgerdienste, Wirtschafts- und Ordnungsangelegenheiten auf Anfrage. Zwar könne sie sich vorstellen, dass vormalige Betreiber von ohnehin möblierten und nunmehr illegalen Ferienwohnungen auf diese Weise überhöhte Mieten erzielen wollen, doch die Zweckentfremdungsverbotsverordnung biete keine Handhabe, um dagegen vorzugehen. Da sei der Senat gefragt.
Auch Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, sieht für die Bezirke wenig Handlungsspielraum. Vom Senat erwarte er »mehr als nur ein Schulterzucken«. Zwar sei möblierte Vermietung an sich nichts Verwerfliches und werde auch in einer gewissen Größenordnung benötigt. Es liege angesichts der Zahlen jedoch die Vermutung nahe, dass viele Vermieter mit diesem »Trick« die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt ausnutzen und das geringe Angebot an bezahlbaren Wohnungen zusätzlich verknappen.
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