Brexit so gut wie durch
Gesetz zum EU-Ausstieg Großbritanniens ohne Änderungen gebilligt / Rechte von EU-Bürgern auf der Insel ungeregelt / Labour-Fraktion gespalten
London. Das Unterhaus in Großbritannien hat dem Brexit-Gesetz der Regierung mit großer Mehrheit zugestimmt. Das Gesetz gibt Premierministerin Theresa May die Vollmacht, den EU-Austritt einzuleiten. 494 Abgeordnete stimmten am Mittwochabend dafür, 122 dagegen.
Die Zustimmung des Oberhauses steht noch aus, gilt aber als sicher. Aus Regierungskreisen verlautete am Mittwoch dennoch mit drohendem Unterton, das Oberhaus müsse mit einem »überwältigenden öffentlichen Ruf nach seiner Abschaffung« rechnen, sollten die Lords das Gesetz nicht durchwinken.
Bis zum 7. März soll das Gesetz endgültig verabschiedet werden. Spätestens Ende des Monats will May die Scheidung von der EU einreichen. Erst dann können die auf zwei Jahre befristeten Austrittsverhandlungen beginnen.
In dem kurzen Gesetzentwurf heißt es: »Die Premierministerin darf die Absicht des Vereinigten Königreichs zum Austritt aus der EU, gemäß Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union, bekannt geben.« Das Gesetz war notwendig, weil das höchste britische Gericht dem Parlament das letzte Wort über die Austrittserklärung zugesprochen hatte. Ursprünglich wollte die Regierung die Abgeordneten übergehen.
Die Opposition hatte versucht, Änderungen an dem Gesetzestext einzubringen, um sich Einfluss auf die Brexit-Verhandlungen zu sichern. Auch Abweichler aus der Regierungsfraktion hatten sich den Anträgen teilweise angeschlossen. Trotzdem gelang es der Regierung, den Gesetzestext ohne Änderungen durchs Unterhaus zu bringen.
Das sorgte bei vielen Oppositionsabgeordneten für Unmut. Der ehemalige schottische Regierungschef und SNP-Abgeordnete Alex Salmond bezeichnete das Vorgehen als »abscheulich«. Der Ex-Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, sprach von einem Blankoscheck für Theresa May um »einen harten und schädlichen Brexit« durchzusetzen. Mehrere Parlamentarier stimmten während der finalen Stimmabgabe die Europahymne an.
Ein Versuch, die Rechte der etwa drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien in dem Gesetz zu garantieren, scheiterte am Widerstand der Regierungsfraktion. Auch ein Zusatz, der die Regierung daran hindern sollte, Großbritannien in ein Steuerparadies zu verwandeln, wurde nicht angenommen.
Premierministerin May kündigte an, gleich zu Beginn der Verhandlungen mit der EU ein Abkommen für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien zu schließen. Voraussetzung sei aber, dass auch die Rechte von Briten in der EU garantiert würden.
Die Abstimmung offenbarte tiefe Risse in der Labour-Fraktion. Parteichef Jeremy Corbyn hatte den Abgeordneten aufgetragen, für das Gesetz zu stimmen. Sein Schattenminister für Wirtschaft, Clive Lewis, trat kurz vor der Stimmabgabe von seinem Amt zurück, um gegen das Gesetz stimmen zu können. Insgesamt rebellierten mehr als 52 Labour-Abgeordnete gegen die Vorgabe der Parteiführung.
Die Abstimmung war der Abschluss einer dreitägigen Debatte, bei der die Regierung als einziges Zugeständnis versprach, das britische Parlament werde über ein Abkommen mit der EU am Ende der zweijährigen Austrittsverhandlungen abstimmen dürfen. Eine Ablehnung werde aber nicht zu Nachverhandlungen führen. In dem Fall müsste Großbritannien die EU ohne eine Regelung für die künftigen Beziehungen verlassen. Oppositionsabgeordnete kritisierten das als »Schwindel«, weil dem Parlament nichts übrig bleiben werde, als den Deal abzusegnen. dpa
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