LINKE-Basis will Ideen für ein solidarisches Europa

Auf Regionalkonferenzen mischen Mitglieder bei der Ausarbeitung des Programms der Linkspartei für die Bundestagswahl mit

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Der »Felsenkeller« im Leipziger Westen ist ein Traditionslokal der Arbeiter. Am 27. Mai 1913 hielt zum Beispiel Rosa Luxemburg dort eine legendäre Rede zur weltpolitischen Lage. Manche Sätze lassen noch heute die Ohren klingeln. Es sei, sagte sie etwa, eine »alte Binsenweisheit, dass, wenn zwei oder drei kapitalistische Staaten die Köpfe zusammenstecken, es sich immer um die Haut eines vierten kapitalistischen Staates handelt«.

Gut 100 Jahr später hatte sich bei einer Konferenz der Linkspartei nicht nur das Vokabular gemildert; auch die Rollen waren anders verteilt. Es war nicht eine Arbeiterführerin, die ihren Zuhörern die Welt erklärte; vielmehr redete die Basis, und die Parteiführung hörte zu. Die Konferenz war die dritte von vier Veranstaltungen, bei denen Anregungen und Kritik zum Mitte Januar vorgelegten Entwurf des Programms für die Bundestagswahl gesammelt wurde. Dieses sei generell »sehr partizipativ entwickelt« worden, sagte Parteichefin Katja Kipping. So gab es auch Tausende Haustürgespräche in Stadtteilen, in denen »die Menschen nicht auf der Sonnenseite leben«, berichtete Kipping: »Wir hören ihre Sprache und den Unmut und nehmen ihn auf.«

Bei den Regionalkonferenzen ist die Meinung der Basis gefragt, die dabei unterschiedliche Themen aufgriff. In Bergheim in Nordrhein-Westfalen drehte sich die Debatte zum guten Teil um Beschäftigungspolitik, in Hamburg um Friedenspolitik. Bei der Ost-Konferenz in Leipzig wurde an diesem Kapitel nicht gekrittelt; der friedenspolitische Teil sei »in Ordnung«, sagte Ellen Brombacher, Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform. Sie mahnte um so nachdrücklicher, eigene Forderungen in möglichen Verhandlungen über ein Regierungsbündnis nicht zu verwässern. Es sei »an der Zeit, in aller Offenheit zu sagen: Wer mit uns koalieren will, muss sich auf unsere Programmatik zubewegen«. Ähnliche Bedenken meldete Elke Reinke an, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV. Sie lobte das Bekenntnis zur Abschaffung von Hartz IV im Programm – und gab zugleich zu bedenken, dies sei »eine schwierige Kiste« mit Blick auf etwaige Koalitionen.

Als unzureichend kritisiert wurde in Leipzig dagegen der Teil des Programms, der sich mit Europa befasst. Dort müsse, sagte Jayne Ann Igel vom Landesvorstand Sachsen, klar werden, was »das Bewahrenswerte an dem Projekt« sei, statt dieses nur »düster und schwarz« zu zeichnen. Michael Eichhorn aus Westsachsen ergänzte, er teile die Haltung nicht, »die Europäische Zentralbank zum Hauptfeind zu machen«. Nötig seien Ideen für ein solidarischeres Europa: »Mir fehlt der Neustart.«

Als ungenügend werden zudem die Aussagen des Programms zum Thema Ostdeutschland empfunden. Dort gebe es 27 Jahre nach der Vereinigung noch immer große Benachteiligungen zum Beispiel bei Renten und Löhnen; auf Grafiken zu Sozialdaten »steht die Mauer noch immer«, sagte Susanna Karawanskij, Ost-Koordinatorin in der Bundestagsfraktion. Die Linkspartei wolle dafür eintreten, dass sich das ändert. Das Wahlprogramm sei in der Frage aber noch zu dünn, sagt Rico Gebhardt, sächsischer Landesvorsitzender der Partei. Er räumte ein, dass die Linkspartei nach 2005 und nach der Fusion von PDS und WASG im Versuch, »gesamtdeutsche Partei« zu werden, beim Bemühen um ostdeutsche Probleme nachgelassen und damit »nicht alles richtig gemacht« habe. In diese Lücke stoßen gerade andere. Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) sucht seit einer Grundsatzrede zum Thema am 3. Oktober verstärkt das Gespräch mit »Wendeverlierern« und erfährt dabei erheblichen Zuspruch. Nun beschloss der Landesvorstand der sächsischen SPD, sich für »mehr Anerkennung der Lebensleistung Ostdeutscher« einsetzen zu wollen. Die Forderung nach einem »Gerechtigkeitsfonds« dürfte im Wahlkampf zur Bundestagswahl eine wichtige Rolle spielen, und zwar über Sachsen hinaus. Gebhardt mahnt, die Linkspartei dürfe sich das Thema »nicht wegnehmen« lassen.

Wie stark derlei Anregungen in die endgültige Fassung des Programms eingehen, wird spätestens Anfang Juni klar, wenn es auf einem Parteitag beschlossen wird. Zuvor gibt es am Samstag eine vierte Regionalkonferenz in Frankfurt am Main – diesmal nicht in einem Traditionslokal der Arbeiterbewegung, sondern im Tagungs- und Bürogebäuse »Ökohaus«.

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