Italiens Autonome

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn das Autonome Studentenkollektiv der Universität Bologna (Collettivo Universitario Autonomo) die Bibliothek der Universität Bologna besetzt, stellt es sich in die Tradition der Autonomen Italiens. Diese sind heute jedoch eher ein Netzwerk verschiedener Aktivisten als eine spezifische Bewegung.

Einer der Ursprünge der autonomen Bewegung in Italien ist der um 1968 entstandene Operaismus (abgeleitet von operario, dem Arbeiter), der durch große Streiks in der Autoindustrie von sich reden machte. Seine Akteure verteilten sich auf die militante Gruppe »Prima Linea« und auf die Autonomia um Antonio Negri, der 1977 als Antwort auf die alternative 77er-Bewegung den Begriff »gesellschaftlicher Arbeiter« prägte. Demnach ist nicht mehr die Fabrik »der zentrale Ort der Produktion und des Kampfes, sondern die ganze Gesellschaft«. In den 2000er Jahren brachte Negri zusammen mit Michael Hardt die Bücher »Empire: die neue Weltordnung« und »Multitude: Krieg und Demokratie im Empire« heraus, die große mediale Aufmerksamkeit erlangten.

Ein weiterer Zweig ist die militante Gruppe »Lotta Continua« (ständiger Kampf), die sich 1969 in Folge der Studentenbewegung bildete. 1977 erreichte die autonome Bewegung Italiens ihren Höhepunkt. Zum einen entstand die kulturell ausgerichtete 77er-Bewegung, zu der auch die neu entstandene Anti-Akw-Bewegung zählte, zum anderen wurde ein Mitglied der »Lotta Continua«, Francesco Lorusso, bei einer Auseinandersetzung mit Rechten in Bologna von der Polizei erschossen. Massive Proteste waren die Antwort, so auch die Besetzung der Universitäten Bologna und La Sapienza in Rom. Der Staat reagierte mit harter Repression, zum Beispiel bei der Räumung der Universität Bologna.

Gegen dieses Vorgehen starteten die die französischen Intellektuellen Jean-Paul Sartre, Michel Foucault, Roland Barthes, Gilles Deleuze und Felix Guattari einen Aufruf, der zur Initialzündung für »Lotta Continua« wurde, im September 1977 den »Kongress gegen die Repression« abzuhalten. Bologna wurde für eine kurze Zeit zu einer »Art europäischer Hauptstadt der Jugendkultur« (Mathias Heigl: Rom in Aufruhr: Soziale Bewegungen im Italien der 1970er Jahre, duepublico.uni-duisburg-essen.de). Laut dem Online-Lexikon Wikipedia pilgerten »mehr als hunderttausend« junge Menschen nach Bologna. Heigl dagegen spricht lediglich von Zehntausenden von Teilnehmern.

Während aber die Straßen einem »Happening alternativer Lebensformen« glichen, fand im Saal ein »erbitterter Hegemoniekampf« statt. Bereits vor dem Kongress hatte sich die traditionelle Linke über den Aufruf empört. Nun entzündete sich der Disput zwischen »Autonomia, Bewegungsgruppen und unabhängigen Bewegungsaktivisten der ›Gruppe der 11‹ des römischen Fakultätskomitees der Geisteswissenschaften entlang der Gewaltfrage und des bewaffneten Kampfes« (Heigl). Von diesem Konflikt hat sich die Bewegung nie mehr erholt.

Lena Tietgen

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