Tanzen gegen das Zittern

Ein neuer Test für Parkinson könnte den Patienten früher Therapien zugänglich machen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

Starkes Zittern, langsamer Gang in kleinen Schritten, Sprachstörungen, steife Arme und Beine, mit der Zeit wachsende Sturzgefahr: Das sind die motorischen Symptome von Parkinson, der nach der Alzheimer-Demenz zweithäufigsten neurodegenerativen Krankheit. Weltweit betroffen sind 4,1 Millionen Menschen, das entspricht knapp zwei Prozent der Bevölkerung über 60 Jahren. In Deutschland leiden bis zu 280 000 Menschen an Parkinson. Männer sind anderthalb mal häufiger betroffen.

Von der Boxlegende Muhammad Ali bis zum relativ früh erkrankten Schauspieler Michael J. Fox oder dem bayrischen Kabarettisten Ottfried Fischer gab und gibt es viele prominente Patienten. Aber auch bei ihnen konnten bisher nur die Symptome in einem bestimmten Maß reduziert werden.

Die Krankheit wurde genau vor 200 Jahren zum ersten Mal von dem englischen Arzt James Parkinson beschrieben. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Forscher absterbende Zellen in der schwarzen Hirnsubstanz (Substantia nigra) als Ursache. Später verstand man, dass der Mangel des Botenstoffes Dopamin eine Folge dieses Zelltodes ist. Dopamin ist unter anderem für die Steuerung von Körperbewegungen wichtig.

Bis die motorischen Symptome deutlich zu Tage treten und die Krankheit eindeutig sichtbar wird, können Jahre bis Jahrzehnte vergehen. Davor gibt es unspezifische Frühsymptome, darunter Störungen des Geruchssinns und des Schlafes, Verdauungsprobleme sowie kognitive Ausfälle. Schmerzhafte, einseitige Muskelverspannungen der Schulter-Arm-Region treten auf, dazu kommen depressive Verstimmungen oder plötzliche Schweißausbrüche.

Parallel hat das Zellsterben schon begonnen. Wenn das typische Zittern einsetzt, können bereits bis zu 80 Prozent der dopaminergen Nervenendigungen und bis zu 50 Prozent der Nervenzellen in der Substantia nigra untergegangen sein.

Die Ursachen für den Zelltod sind noch nicht vollständig geklärt. Von einem kleinen Teil der Erkrankungen weiß man, dass sie durch Medikamente ausgelöst wurden, darunter fallen klassische Neuroleptika, Mittel gegen Erbrechen, Lithium oder bestimmte Kalziumantagonisten, die zur Blutdrucksenkung eingesetzt werden. Auch Hirnhautentzündungen, Tumoren oder andere Hirnschädigungen kommen in Frage - bei rund 80 Prozent der Patienten ist jedoch keine Ursache erkennbar.

Jetzt hoffen Forscher auf einen Durchbruch zunächst in der Früherkennung. Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April kündigte der Würzburger Neurologe Jens Volkmann in dieser Woche in Berlin einen neuen Parkinsontest an. Volkmann und weitere Neurowissenschaftler aus Würzburg und Marburg konnten zeigen, dass die Krankheit Jahre vor dem Ausbruch der motorischen Symptome in der Haut feststellbar ist. Mit einer einfachen Gewebeentnahme (Biopsie) lassen sich Ablagerungen des Parkinson-Markers Alpha-Synuclein in Hautnervenzellen nachweisen. In einer jetzt publizierten Arbeit konnte der Biomarker bei Risikopatienten mit der sogenannten REM-Schlafverhaltensstörung identifiziert werden. Zwar gebe es für die so Diagnostizierten noch keine Heilung, aber sie könnten früher in Therapien einbezogen werden, die das Fortschreiten der Krankheit aufhalten sollen.

Je früher die Diagnose erfolgt, desto größer ist die Auswahl an Therapien. Bislang wurde medikamentös vor allem die Verfügbarkeit von Dopamin erhöht, oder die Patienten erhielten Ersatzstoffe für den Botenstoff. Helfen Medikamente nicht mehr, kann ein »Hirnschrittmacher« eingesetzt werden, der mit kleinen Stromstößen das neuronale Netzwerk ausbalancieren kann.

Weitere Behandlungsoptionen kommen aus der Physio- und Ergotherapie, darunter Wassergymnastik. Patienten lassen sich zudem durch Bewegen und Laufen nach rhythmischer Musik aktivieren. Schrittgeschwindigkeit, Gangrhythmus und die Schrittlänge sind durch Marsch- oder Renaissancemusik positiv beeinflussbar, auch schon der Takt eines Metronoms wirkt auf die Motorik. Bei Schluck- und Sprechstörungen können logopädische Übungen helfen. Die abnehmende Mimik und Gestik der Patienten wird von ihrer Umgebung oft als Desinteresse oder Traurigkeit fehlinterpretiert. Der verbale Austausch über Gefühle ist deshalb für Angehörige besonders wichtig.

Aktuelle Forschungsansätze sind nun zum Beispiel auf einen Impfstoff gerichtet, der aus einem Antikörper gegen Alpha-Synuclein bestehen soll - zwei Studien mit passiven Antikörpern sind in Vorbereitung. Zu viel Eisen in bestimmten Hirnregionen könnte oxidativen Stress im Gehirn verstärken und dort den Zelltod verstärken - neue Therapieformen sollen das vermehrte Metall binden.

Eine Zufallsentdeckung brachte Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut Dresden auf die Spur von linksdrehender Milchsäure, die in bulgarischem Joghurt vorkommt. Die Milchsäure konnte unter Laborbedingungen arbeitsunfähige Nervenzellen von Tieren und Menschen wiederbeleben. Innerhalb von fünf Jahren könnte die Entdeckung zu einem neuen Parkinson-Medikament führen.

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