Schlechte Nachrichten verboten
In Ägypten werden Journalisten mithilfe des Ausnahmezustandes eingeschüchtert. Die fliehen in den Untergrund, von wo sie erfolgreich bloggen.
In jüngster Zeit gab es wieder schlechte Nachrichten aus Ägypten: Bei zwei Anschlägen auf koptische Kirchen kamen mindestens 47 Menschen ums Leben. Die Reaktion von Präsident Abdelfattah al-Sisi: Er verhängte den Ausnahmezustand, und verbot einfach die Verbreitung schlechter Nachrichten. Berichte über Terroranschläge, über Militäroperationen, selbst Statements von Regierungsmitgliedern unterliegen nun der strikten Zensur. Die Regierung darf jederzeit ohne Begründung eine Nachrichtensperre verhängen, wer sich nicht daran hält, dem droht die Festnahme. Aktuell gehören dazu sämtliche Nachrichten, die im weitesten Sinne mit der Sicherheitslage zu tun haben; dies sei notwendig, um »öffentlichen Aufruhr« zu verhindern, so Sisi in einer Fernsehansprache. Wobei »öffentlicher Aufruhr« ein Euphemismus für den öffentlichen Unmut über die Regierung ist; sie sei schwach, tue nichts, um die Bevölkerung zu schützen. Sisi macht die Medien dafür verantwortlich.
Erst Tage zuvor hatte sich Sisi bei einem Besuch beim US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump gerühmt, seine Regierung spiele eine Vorreiterrolle im Kampf gegen »Fake News«, nachdem er von Trump gelobt worden war, er mache »einen guten Job in einer schwierigen Lage« - eine Argumentation, die bei den wenigen ägyptischen Journalisten, die den Mut aufbringen, investigativ, ohne Angst vor Repressalien zu berichten, für Kopfschütteln sorgte. Denn bevor Sisi per Dekret die gute Nachricht zur obersten Journalistenpflicht erklärte, sah der Kampf gegen die Fake News so aus: Das »Verbreiten falscher Nachrichten« war und ist ein Straftatbestand, der mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren bestraft wird, zusätzlich zur Untersuchungshaft, die bis zu zwei Jahren dauern darf und nicht anrechenbar ist. Was eine »falsche Nachricht« ist, darüber entscheidet seit dem vergangenen Jahr dieselbe, Sisi direkt unterstellte Regierungsbehörde, die auch dafür sorgen soll, dass Nichtregierungsorganisationen die extrem strengen Regeln einhalten, die ihnen per Gesetz verordnet wurden.
Ägyptische Journalisten sahen in der Schaffung der Zensurbehörde sogar einen Fortschritt. Denn zuvor habe die absolute Willkür geherrscht, sagt Ahmed Hussein von der Journalistengewerkschaft. »Offiziell hieß es, man solle sich einfach an die Pressemitteilungen halten, dann sei man auf der sicheren Seite,« sagt er, »doch oft stand in der Mitteilung aus dem Präsidialbüro dies, und in der vom Innenministerium das, und am Ende stand dann doch die Polizei vor der Tür.«
Mit »richtig« und »falsch« war und ist es dabei auch im Mikrokosmos des Staatsapparates stets so eine Sache: Bevor eine Nachricht von dieser oder jener Behörde in Kairo eintrifft, ist sie meist so aufbereitet worden, dass alle Beteiligten möglichst gut aussehen. Nach den Kirchen-Anschlägen wurde so aus einem schlecht ausgebildeten Polizisten, der vor einer der Kirchen den Attentäter übersah, ein Held, der mutig Schlimmeres verhinderte. Zwei weitere Sprengsätze wurden offiziell durch gute Polizeiarbeit rechtzeitig gefunden; tatsächlich war es Zufall.
Mit den Regelungen des Ausnahmezustandes sollen solche peinlichen Diskrepanzen künftig vermieden und Journalisten weiter eingeschüchtert werden. Aber: Weil die ägyptischen Medien schon seit der Machtergreifung Sisis nahezu vollständig die Regierungssicht verbreiten, informieren sich viele Ägypter lieber im Netz und bei Al Dschasira, wo man die Berichte überwiegend aus dem Ausland nach Ägypten sendet.
Die Blogger indes sind Meister darin, ihre Identität vor den Zensoren zu verbergen; Stil und Recherchequalität deuten darauf hin, dass es sich zumindest bei einigen davon um ausgebildete Journalisten handelt, die nun vor der Zensur in den Untergrund geflohen sind.
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