Linksaktivist Langer wegen nd-Interview verurteilt

Berliner Landgericht verhängt Geldstrafe für Kommentar zu militanten antifaschistischen Aktionen in 80er Jahren

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Bernd Langer, Jahrgang 1950, ein Urgestein und Kenner der linksautonomen Szene führte 2014 im »nd« ein Streitgespräch über die antifaschistische Bewegungen der 80er in der alten Bundesrepublik. Er analysierte, diskutierte und kritisiert. Dabei fiel auch jener Satz: »Aber es gab auch später noch militante Aktionen, zum Beispiel der koordinierte Anschlag gegen die «Junge Freiheit» 1994. Wenn man das liest, wie das bei denen reingehauen hat - die konnten ihre Zeitung fast zumachen-, war das eine Superaktion gewesen.«

Dies muss Alexander von Stahl, Ex-Generalbundesanwalt, Ex-Staatssekretär in Berlin, stockkonservativer Alt-FDPler und Anwalt der rechten Zeitung »Junge Freiheit« sauer aufgestoßen sein. Er sah eine Chance, der verhassten Linken eins auszuwischen und meldete dies der Berliner Staatsanwaltschaft. Die folgte treu dem einstigen obersten Ankläger und verhängte einen Strafbefehl über 3000 Euro. Nachdem Langer sich weigerte zu zahlen, weil er darin sein elementares Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt sah, landete der »Fall« 2015 beim Amtsgericht. Der Amtsrichter konstatierte einen »schwammigen Paragrafen«, verneinte die Absicht, zu Brandanschlägen aufzurufen, verurteile Langer aber trotz seiner Bedenken zu einer Geldstrafe von 480 Euro. Dagegen erhoben Langer und sein Anwalt Sven Richwin Einspruch. Die nächste Verhandlung 2016. Die Richterin sah sich außerstande, ohne Zeugen zu verhandeln. Gestern nun der dritte Anlauf.

Das Geschehen, das Bernd Langer in dem nd-Interview, beschrieb, liegt 23 Jahre zurück. Damals gab es einen Brandanschlag auf ein Druckhaus in Jena, das auch die rechtsnationale »Junge Freiheit« auf Papier brachte. Die Täter konnten nicht ermittelt werden, die Tat ist inzwischen verjährt.

Nicht so das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat von 2014, um das sich der Prozess rankt. So war dann die mehrstündige Verhandlung auch keine Beweisaufnahme, sondern eine politische Diskussion, wie die Aktionen der autonomen Szene in den 80er Jahren und danach zu bewerten sind. Und da trennten Staatsanwalt und Langer Welten. Während Langer sich auf eine wehrhafte Demokratie gegen neofaschistische Gefahren berief, war die Äußerung für den Anklagevertreter eine klare Billigung linker Gewalt im »nd«. Fast ein Lob für die Zeitung, denn er sah in der massenhaften Verbreitung des Textes eine ernste Gefahr. Wie wenig er von der autonomen Bewegung verstand, wurde in der Frage deutlich, ob Langer ein Ossi oder Wessi sei.

Billigung einer Straftat, was ist das eigentlich? Laut Paragraf 140 des Strafgesetzbuches sollen damit Taten bestraft werden, die den öffentlichen Frieden gefährden könnten. Aufrufe zu Gewalt und Psychoterror, die ein Klima schaffen, in dem Verbrechen gedeihen. Für die Strafbarkeit der Billigung muss eine hinreichende Öffentlichkeit und eine tatsächliche oder voraussichtliche Störung des öffentlichen Friedens gegeben sein. Ist das im Fall Langer geschehen? Ist nach dem nd-Interview irgendein Ereignis eingetreten, das in diesem Land die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt hat? Natürlich nicht. Weder Staatsanwaltschaft, noch das Gericht konnten in der gerichtlichen Diskussionsveranstaltung dazu etwas vortragen. Auch das 40-minütige Vorlesen der gedruckten nd-Ausgabe vom 1. November 2014 ergab keinerlei Beweise für die Behauptung der Billigung einer Straftat. Langer, das wurde deutlich, war und ist kein Befürworter militanter Straftaten, eher ein Vermittler, wohl aber ein klarer Gegner von Rechtsradikalismus und Neofaschismus.

Verteidiger Sven Richwin forderte dann auch im Ergebnis der Beweisaufnahme, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und seinen Mandanten freizusprechen. Die Aussage sei eine historische Betrachtung der autonomen Szene der 80er Jahre gewesen und kein Aufruf zu Gewalt. Naturgemäß ganz anders sah es der Staatsanwalt. Für ihn war die Aussage Langers, »der Kampf geht weiter« ein Beleg dafür, dass er sich nicht von Gewalt distanziert hat. Das Gericht folgte in seinem Urteil der Anklagevertretung, halbierte aber die Höhe der Geldstrafe.

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