Nicht bereit zu Kompromissen
Der frühere DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler ist tot
Stand er zu eisernen Idealen oder eisern zu seinen Idealen? In der Überschrift der Agentur anlässlich des Todes von Heinz Keßler wird Ersteres nahegelegt. Es mag ein Lapsus sein, doch wäre es einer, der Bestätigung des allgemeinen Urteils ist: Dass der einstige Armeegeneral der Nationalen Volksarmee (NVA) und Verteidigungsminister der DDR über Ideale nur verfügt haben kann, wenn diese selbst verwerflich sind, also keine Ideale sind.
Tatsächlich hat Heinz Keßler, der am Dienstag im Alter von 97 Jahren in Berlin starb, ein Leben gelebt, das von Idealen getrieben war. Als Sohn von Kommunisten und Maschinenschlosser war er das Paradebeispiel des Klassenkämpfers, ergriff in seiner Jugend, als die Mehrheit der deutschen Jugendlichen halb im Gleichschritt, halb taumelnd den Nazis folgte, Position gegen diese, schloss sich deren radikalsten Gegnern an, wurde Mitglied des kommunistischen Jungspartakusbundes. Einberufen in die Wehrmacht, fand er sich an der Ostfront wieder, als die Operation Barbarossa losbrach – drei Wochen nach dem Überfall auf die Sowjetunion lief er über. Die Nazis steckten dafür seine Mutter ins KZ Ravensbrück.
Heinz Keßler war also einer, der den einen schon damals als Verräter galt, noch bis in die jüngeren Zeiten der Bundesrepublik war diese Sicht auch Rechtsnorm und verhinderte Entschädigungen von Deserteuren im Westen. Den anderen war er Aktivist eines neuen, besseren Deutschland. Er lernte in der Gefangenschaft Heinz Hoffmann kennen, den späteren Verteidigungsminister, war Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland, kam wieder an die Front, diesmal auf der anderen Seite, diente als Politoffizier in den Reihen der Roten Armee. Dass Heinz Keßler Militär wurde, war nicht vorbestimmt, aber es war folgerichtig. Als er 1985, nach dem Tod Hoffmanns, Verteidigungsminister wurde, war er schon 65 Jahre alt. Jahrzehnte war er da bereits stellvertretender Minister gewesen, schon seit Gründung der NVA am 1. März 1956. Als er 1986 Mitglied des SED-Politbüros wurde, war er wieder einer der jüngeren.
Erich Honecker und Keßler waren befreundet, heißt es. Zumindest teilten beide die Sicht auf die Welt. Und an dieser Sicht hielt Keßler fest, tatsächlich eisern. 1989 musste er zurücktreten, wurde später wegen der Opfer an der DDR-Grenze zu siebeneinhalb Jahren wegen Totschlags verurteilt. Einen Teil der Strafe saß er nur ab, wegen angeschlagener Gesundheit. Doch Kompromisse ging er nicht ein. Auch Relativierung ging ihm offenbar zu weit. Mit seinem früheren Stellvertreter Fritz Streletz schrieb er im Buch »Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben« 2011: »Die Arbeiter und alle Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik atmeten nach dem 13. August 1961 erleichtert auf, weil dem Treiben der Bonner Menschenhändler und Revanchepolitiker ein schnelles Ende bereitet wurde. Jetzt ist die Atmosphäre gereinigt und die Perspektive klar.«
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